Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Vaterschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Sieht das auf die Anfechtung der Vaterschaft anwendbare ausländische Recht für ein ohne Willensmängel abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis keine Anfechtungsmöglichkeit des Anerkennenden vor und stellt es auch nicht sicher, daß der Anerkennende vor Abgabe des Anerkenntnisses eine ausreichende Bedenkzeit wahrnimmt, so liegt ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vor (Art. 6 EGBGB).

 

Verfahrensgang

AG Esslingen (Aktenzeichen 3 F 1115/98)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Esslingen vom 29.2.2000 wird

zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 4.000,00 DM

 

Tatbestand

Der Kläger ficht mit der vorliegenden Klage seine Vaterschaft zu der Beklagten an. Diese wurde am 0.0.1990 in Jugoslawien von der späteren (inzwischen geschiedenen) Ehefrau des Klägers, Frau O.H. (damals S.), geboren. Mutter und Tochter waren und sind jugoslawische (jetzt: serbische) Staatsangehörige. Die Mutter war bis zur Geburt der Tochter unverheiratet. In der Folgezeit ist die Vaterschaft eines anderen Mannes zur Beklagten nie festgestellt worden.

Im Frühjahr 1997 lernten sich der Kläger und die Mutter der Beklagten in Griechenland kennen. Am 30.11.1997 schlossen sie in L./Serbien die Ehe. Am 2.12.1997 erschienen der Kläger und die Mutter der Beklagten vor dem Standesbeamten in L., wo der Beklagte unter Vermittlung einer vereidigten Gerichtsdolmetscherin für die deutsche Sprache die Erklärung abgab, der natürliche Vater der Beklagten zu sein, und bat, die Vaterschaftsanerkennung in das Geburtsregister einzutragen. Die Mutter der Beklagten erklärte sich mit dieser Erklärung einverstanden. Das hierüber gefertigte Protokoll (Bl. 4 bis 5) wurde von beiden Anwesenden sowie der Standesbeamtin unterzeichnet.

Anlaß für die Abgabe des Anerkenntnisses war unstreitig, daß die Mutter der Beklagten dem Kläger erklärt hatte, sie werde nur mit ihm nach Deutschland kommen, wenn ihre Tochter mitkomme. Dies werde ohne langwierige bürokratische Formalien nur möglich sein, wenn er die vom Standesbeamten vorgeschlagene Erklärung abgebe.

Der Kläger trägt hierzu – erstmals im zweiten Rechtszug – vor, er habe der Verhandlung nicht folgen können und nicht gewußt, was er unterschreibe; die Vaterschaft habe er jedenfalls nicht anerkennen wollen. Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe sehr wohl gewußt, daß er ein Vaterschaftsanerkenntnis abgebe. Er habe ursprünglich geplant, die Beklagte zu adoptieren, doch sei den frisch vermählten Eheleuten dieses Verfahren zu langwierig erschienen. Auf Vorschlag des Standesbeamten habe man deshalb sich für ein – bewußt wahrheitswidriges – Vaterschaftsanerkenntnis entschieden.

Die Beklagte und ihre Mutter zogen in der Folgezeit nach Deutschland zum Kläger. Im Lauf des Jahres 1998 trennten sich die Eheleute H. Am Donnerstag, 3.12.1998, reichte der Kläger die vorliegende Anfechtungsklage beim örtlich zuständigen Amtsgericht – Familiengericht – Esslingen ein, gerichtet gegen die Beklagte, vertreten durch die Mutter. Nach Hinweis des Familiengerichts, daß die Beklagte durch die Mutter im vorliegenden Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten sei, solange die elterliche Sorge nicht geregelt sei, strengte der Kläger ein isoliertes Sorgerechtsverfahren vor dem Amtsgericht Esslingen an. Durch Beschluß des Amtsgerichts Esslingen vom 28.4.1999, der den Verfahrensbevollmächtigten beider Eltern am 30.4.1999 zugestellt wurde, wurde die elterliche Sorge für die Beklagte auf die Kindesmutter übertragen. Hierauf bewirkte das Familiengericht die Zustellung der vorliegenden Klage, die am 3.5.1999 an die Mutter der Beklagten erfolgt ist (Bl. 19). Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.2.2000 vernahm das Familiengericht den Kläger sowie die Mutter der Beklagten jeweils als Partei. Auf diese mündliche Verhandlung erging das am 29.2.2000 verkündete Urteil, welches antragsgemäß feststellt, daß der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist. Die Kosten des Verfahrens wurden im Urteil gegeneinander aufgehoben. Die Beklagte, vertreten durch ihre Mutter, hat gegen das Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt und sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Sie hält die Durchführung des Anfechtungsverfahrens durch den Kläger für treuwidrig. Nachdem dieser eigentlich beabsichtigt habe, die Beklagte zu adoptieren, und die Beteiligten lediglich aus Zeitgründen hiervon Abstand genommen hätten, könne der Kläger sich von seiner Vaterschaft zur Beklagten ebensowenig lossagen wie im Falle einer erfolgten Adoption.

Der Kläger verteidigt das Urteil.

In der Zwischenzeit ist durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Esslinge vom 22.2.2000, …, die Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten geschieden worden. Das Scheidungsurteil wurde vor der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren in der vorliegenden Sache rechtskräftig; der genaue Zeitpunkt war in der...

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