Leitsatz (amtlich)

Hat der Veräußerer im notariellen "Kaufvertrag" nicht nur das bezeichnete Grundstück verkauft, sondern zudem die werkvertragliche Verpflichtung übernommen, Architektenleistungen (gem. § 15 Nr. 1 bis 4 HOAI a.F.) zu erbringen, schuldet er die mangelfreie Erstellung der Baugenehmigungsplanung. Ergibt sich aus dem Inhalt, dem Zweck und der wirtschaftlichen Bedeutung des Vertrages sowie aus der Interessenlage die Verpflichtung des Veräußerers zur mangelfreien Planung, knüpft an diese Verpflichtung die Sachmängelhaftung nach Werkvertragsrecht an. Dass die Baugenehmigung zur Zeit des Abschlusses des notariellen "Kaufvertrages" bereits erteilt war, steht der Anwendung von Werksvertragsrecht nicht entgegen. Für die rechtliche Einordnung ist es unerheblich, ob bei Vertragsschluss bereits mit der Planausführung begonnen oder ob sie bereits beeendet ist.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, §§ 633, 634 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 08.01.2010; Aktenzeichen 26 O 417/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 26. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 8.1.2010 - 26 O 417/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu voll-streckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 60.388,98 EUR

 

Gründe

A. Die Klägerin macht Rückzahlungs- und Zinsansprüche aus Darlehensvertrag gegen die Beklagte geltend; die Beklagte hat hiergegen mit Schadensersatzansprüchen aus einem Grundstückskaufvertrag aufgerechnet und widerklagend weiteren Schadensersatz sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Klägerin geltend gemacht.

Die Klägerin bewarb in einem Anzeigenblatt ein Reiheneckhaus in D. zum "Kauf ohne Eigenkapital". Die Beklagte nahm daraufhin Kontakt mit der Klägerin auf und erhielt ein Exposé über vier Reihenhäuser in der F ... straße ... in D. Ausweislich des Exposés waren drei Häuser bereits verkauft. Der Kaufpreis für das Haus ... war mit 255.000 EUR angegeben. Dem Exposé beigefügt war eine Bau- und Leistungsbeschreibung (Anl. BB 4, Bl. 464 ff. d.A.).

In notarieller Urkunde vom 28.12.2006 gab die Beklagte das Angebot auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages über den Erwerb eines Baugrundstücks in der F ... straße ... in D. ab. Der Kaufpreis wird in § 2 (1) des Kaufvertrages mit 105.850 EUR angegeben. Neben dem Angebot auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages enthält die notarielle Urkunde vom 28.12.2006 auch das Angebot der Beklagten zum Abschluss eines Bauleistungsvertrages an verschiedene Gewerks-firmen. Mit diesem Bauleistungsvertrag, den der die Handwerker vertretende Dipl.-Ing. (FH) S ... S... am 15.1.2007 angenommen hat, verpflichteten sich die Handwerker zu einzelnen Werkleistungen im Zusammenhang mit der Erstellung eines Reihenhauses gemäß den Baugesuchsplänen, die der erteilten Baugenehmigung zugrunde lagen (Anl. B 3, Bl. 80 ff. d.A.). Im Bauleistungsvertrag ist ein Gesamtfestpreis für die einzelnen Gewerke von 130.450 EUR angegeben. Als Kaufgegenstand im Grundstückskaufvertrag ist lediglich das Grundstück sowie 1/6-Anteil an dem gemeinschaftlichen Hofraum benannt. Die Klägerin hat den Grundstückskaufvertrag ebenfalls am 15.1.2007 angenommen. Zur Sicherstellung der Immobilienfinanzierung gewährte die Klägerin der Beklagten am 20.1.2007 ein Darlehen über 9.000 EUR.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen des LG sowie wegen des Vorbringens der Parteien in I. Instanz wird auf das Urteil vom 8.1.2010 Bezug genommen.

Durch das angegriffene Urteil hat das LG nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie zweier Ergänzungsgutachten der Klage nur hinsichtlich der Zinsforderung teilweise, der Widerklage vollumfänglich stattgegeben. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen unstreitigen Darlehensrückzahlungsanspruch, welcher durch Aufrechnung ggü. der Darlehenshauptforderung mit Schriftsatz vom 30.6.2009 erloschen sei. Da Zurückbehaltungsrechte ggü. der berechtigten Darlehensforderung der Klägerin erstmals in der Klagerwiderung vom 10.10.2007 geltend gemacht worden seien, stünden der Klägerin bis zum 15.10.2007 die geltend gemachten Darlehenszinsen sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert in Höhe der bis dahin von der Beklagten nicht bezahlten 2.400 EUR zu. Der zur Aufrechnung gestellte und darüber hinaus mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei gegeben. Aus § 2 des Kaufvertrages folge, dass im Kaufpreis die Architektenleistungen entsprechend Ziff. 1 bis 4 von § 15 HOAI und die Baugenehmigung enthalten gewesen sei. Hierin sei eine Beschaffenheitsangabe dahingehend zu sehen, dass das Grundstück, so wie genehmigt, bebaut werden könne. Zwar sei vorliegend die Beba...

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