Leitsatz (amtlich)
1. Die Werbung eines Rechtsanwaltes für den Pauschalbetrag von 20 EUR inkl. Mehrwertsteuer eine außergerichtliche Rechtsberatung zu erbringen, verstößt seit der zum 1.7.2006 erfolgten Änderung des § 34 RVG nicht gegen das Verbot der Unterschreitung gesetzlicher Gebühren.
2. Die Bemessungsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG gilt nicht für ein Beratungshonorar, das gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG auf Vereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant beruht.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Aktenzeichen 8 O 89/06 KfH 2) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 8. Kammer für Handelssachen des LG Ravensburg vom 28.7.2006 abgeändert:
Die Verfügungsanträge der Verfügungskläger vom 28.6.2006 werden zurückgewiesen.
II. Die Verfügungskläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Streitwert: 30.000 EUR.
Gründe
Die Berufung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) ist zulässig, hat in der Sache Erfolg und führt zur Zurückweisung der Verfügungsanträge der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger).
A. Die Kläger Ziff. 1 und 2 sowie 3 und 4, die zwei selbständige Rechtsanwaltskanzleien betreiben, verlangen von den Beklagten, die ebenfalls eine Rechtsanwaltskanzlei unterhalten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben, Beratungen in allen Angelegenheiten für Verbraucher zu einem Pauschalpreis von 20 EUR inkl. MWSt. anzubieten. Soweit sie in erster Instanz beantragt hatten, den Beklagten auch die Werbung für derartige Beratungen zu "ähnlich niedrigen Pauschalsätzen" zu untersagen, haben sie ihre Verfügungsanträge in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21.12.2006 zurückgenommen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das LG hat den Verfügungsanträgen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt (Urteil veröffentlicht in NJW 2006, 2930):
Die Kläger könnten von den Beklagten verlangen, dass diese es unterlassen, damit zu werben, Beratungen in allen Angelegenheiten für Verbraucher zu einem Pauschalpreis von 20 EUR inkl. MWSt. anzubieten. Denn derartige Werbeanzeigen seien unlauter, da mit geringeren Gebühren geworben werde, als das RVG vorsehe, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. §§ 3; 4 Nr. 11 UWG; 49b Abs. 1 S. 1 BRAO, 4 Abs. 2 S. 3 RVG. Die Parteien stünden zueinander in direktem Wettbewerb, da sie alle ihre Anwaltskanzleien in der Stadt Laupheim betrieben. Die Werbung mit einer pauschalen Gebühr i.H.v. 20 EUR verstoße gegen die Marktverhaltensregelung des § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO, die einen ruinösen Preiswettbewerb verhindern und gleiche rechtliche Voraussetzungen für alle Wettbewerber auf dem Markt schaffen solle. Nach dieser Bestimmung sei auch die Vergütungsvorschrift des § 4 Abs. 2 S. 3 RVG zu beachten, die auch nach der Neufassung von § 34 RVG zum 1.7.2006 auf Pauschalvergütungen, die für Beratungsleistungen vereinbart würden, Anwendung finde. Dass § 4 Abs. 2 S. 1 RVG, auf den § 4 Abs. 2 S. 3 RVG Bezug nehme, vorsehe, dass für die außergerichtliche Angelegenheit, für die die Pauschalvergütung vereinbart worden sei, ansonsten gesetzliche Gebühren gegolten hätten, jedoch § 34 Abs. 1 S. 2 RVG nach seiner Neufassung nicht mehr auf Gebühren nach dem VV-RVG, sondern nach den Vorschriften des BGB (§ 612 Abs. 2 BGB) verweise, stehe dem nicht entgegen. Denn nach der Begründung zur Neufassung von § 34 RVG (BT-Drucks. 15/1971, 3 und 238) solle durch die Neufassung zwar eine Deregulierung erreicht, andererseits jedoch weiterhin eine funktionierende Rechtspflege sichergestellt werden. Deshalb sei § 4 Abs. 2 S. 3 RVG als allgemeine Vorschrift auch für Pauschalvergütungen heranzuziehen, die für außergerichtliche Angelegenheiten vereinbart würden, für die ansonsten eine übliche Vergütung nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB zu entrichten gewesen wäre. Eine Pauschalvergütung i.H.v. nur 20 EUR für Beratungsleistungen in allen Angelegenheiten eines Verbrauchers stehe aber nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung, Verantwortung und dem Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes. Vorliegend komme erschwerend hinzu, dass keinerlei Differenzierung nach Rechtsgebieten, Schwierigkeit der Beratung und Umfang der Tätigkeit vorgenommen werde und trotz der äußerst niedrigen Pauschalgebühren keine Ausnahmen vorgesehen seien. Auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers solle aber nicht für alle Beratungsfälle - unabhängig von Umfang, Bedeutung und Zeitintensität - eine einheitliche Pauschale verlangt werden können; vielmehr solle es dem Anwalt durch die Gebührenvereinbarung ermöglicht werden, eine auf den Einzelfall zugeschnittene Gestaltung der Gebühren vorzunehmen. Im Übrigen komme es, wenn man eine solche Gebührenfestsetzung für zulässig erkläre, zu einem ruinösen Preiswettbewerb, der nicht im Interesse der Rechtssuchenden liege, da er die Qualität der außergerichtlichen Beratung beeinträchtige. Ob die Werbung der Beklagten auch irreführend i.S.v. §§ 3; 5 Abs....