Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird Ziff. 1 das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 18.08.2017, Az. 3 O 77/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
(1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.256,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.08.2016 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i. H. v. 334,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.08.2016 zu zahlen.
(2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus dem Schadensereignis vom 29.05.2016 entstandene weitergehende materielle Schäden zu einem Drittel zu erstatten.
(3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte trägt 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.256,34 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist teilweise begründet.
Der Klägerin steht aus § 115 VVG i.v.m. §§ 839, 249 ff. BGB, Art. 34 GG sowie §§ 7, 17 StVG ein Anspruch auf Ersatz von 2/3 des geltend gemachten Schadens zu.
Die Haftung des Beklagten ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Es handelt sich für keine Partei um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 StVG. Folglich ist eine Abwägung der Unfallbeiträge unter Berücksichtigung der jeweiligen Betriebsgefahr und Gewichtung der Pflichtverletzungen vorzunehmen.
Das Beklagtenfahrzeug, ein LKW der freiwilligen Feuerwehr H, hatte im Rahmen eines Einsatzes zum Transport von Sandsäcken zu einem Sammeldepot in S wegen einer akuten Hochwasserlage mit eingeschaltetem Einsatzhorn und blauem Blinklicht das klägerische Fahrzeug, welches ausgewichen war, passiert. Danach hielt der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs am linken Straßenrand an, um einen am Straßenrand stehenden Feuerwehrkollegen nach dem Weg zu fragen. Dazu schaltete er das Einsatzhorn aus, nicht aber das blaue Blinklicht. Nach kurzem Zuwarten fuhr der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs langsam rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbei. Als er das Beklagtenfahrzeug fast passiert hatte, fuhr dieses wieder an und zog zur Mitte der Fahrbahn, worauf die Fahrzeuge kollidierten.
1. Unfallursächliche Pflichtverletzungen des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs liegen darin, dass er vom linken Fahrbahnrand anfuhr, als das klägerische Fahrzeug bereits neben ihm war, obwohl er es vor dem Anfahren bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte bemerken können sowie darin, dass er vor dem Anfahren diese Absicht nicht anzeigte.
a) Indem der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs zunächst am linken Fahrbahnrand anhielt und sodann, ohne dem klägerischen Fahrzeug ein Vorrecht einzuräumen, wieder in die Straße einfuhr, ohne einen Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen, verstieß er gegen die Regeln des § 12 Abs. 4 StVO und des §§ 10 S. 1 und § 10 S. 2 StVO. Davon ist nur die Verletzung des § 12 Abs. 4 StVO im konkreten Einsatz durch § 35 Abs. 1 StVO gerechtfertigt.
aa) Im Umkehrschluss zu § 12 Abs. 4 S. 4 StVO ergibt sich, dass nicht nur das Parken, sondern auch das Halten am linken Fahrbahnrand nicht erlaubt ist, soweit es sich nicht um eine Einbahnstraße handelt oder am rechten Fahrbahnrand Schienen liegen. Dass der Fahrer das Beklagtenfahrzeug zum Stillstand brachte, um einen Feuerwehrkollegen nach dem Weg zu fragen, ist als Halten im Sinne von § 12 StVO einzuordnen und nicht als Stocken des Verkehrs gemäß § 11 StVO.
bb) Gemäß § 10 S. 1 StVO ist beim Anfahren vom Fahrbahnrand größte Sorgfalt aufzuwenden. Der Fahrer hat sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Als Anfahren gilt auch das in Bewegung setzen des Fahrzeugs nach nicht verkehrsbedingtem Halten (KG NZV 04,637, LG Berlin, NZV 04, 635). Beim Anfahren hat der passierende Verkehr Vorrang. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hätte somit bei Geltung der allgemeinen Verkehrsregeln das klägerische Fahrzeug passieren lassen müssen. Er hätte sich durch Rückschau vergewissern müssen, dass er ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vom Fahrbahnrand anfahren kann, bei unübersichtlichen Sichtverhältnissen gegebenenfalls durch Einweisung durch den Beifahrer. Hätte der Fahrer sich vergewissert, hätte er das klägerische Fahrzeug bemerkt und passieren lassen, bevor er sein Fahrzeug zur Weiterfahrt zur Straßenmitte/rechten Straßenseite zieht. Dass er das Fahrzeug in einem der drei rechten Außenspiegeln noch vor dem Anfahren hätte bemerken können, ergibt sich aus dem in erster Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen W (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.7.2017, hier Bl. 74).
cc) Außerdem hätte der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs vor dem A...