Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 10.12.2019; Aktenzeichen 24 O 185/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.12.2019, Az. 24 O 185/19, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.12.2019, Az. 24 O 185/19, wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 24.949,42 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs.
1. Die Klägerin kaufte am 25.10.2011 ein Fahrzeug der Marke Audi mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... und einem Kilometerstand von 0 km zu einem Kaufpreis von 34.913,99 EUR, in dem ein von der Beklagten entwickelter und hergestellter Dieselmotor der Baureihe EA 189 verbaut ist. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 85.621 km auf.
Für das Fahrzeugmodell lag zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte wie zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger eine EG-Typgenehmigung vor. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung; diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf. Im NEFZ schaltet sie in den Modus 1, in dem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.
Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen an und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der in den Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es ordnete an, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen.
Mit verschiedenen zwischen dem 27. Januar 2016 und dem 20. Dezember 2016 erteilten Bestätigungen hat das KBA sämtliche betroffenen Fahrzeug- und Motorvarianten, darunter auch den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp, unter der Auflage freigegeben, dass ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update der Motorsteuerungsgerätesoftware installiert wird. Das Software-Update wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
2. Das Landgericht hat der auf Schadensersatz - in Form der Zahlung von 34.913,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % vom 25.10.2011 bis zum 22.07.2019 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie Freistellung von außergerichtlichen Kosten Höhe von 1.358,86 EUR - sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs gerichteten Klage teilweise stattgegeben. Die Beklagte wurde zur Zahlung von 23.467,65 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2019 an die Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt. Weiter wurde festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Ferner wurde die Beklagte verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.242,84 EUR freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen angeführt:
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 23.467,65 EUR gemäß §§ 826, 31, 831 BGB zu. Die Voraussetzungen des § 826 BGB seien gegeben.
Allerdings sei von dem Kaufpreis, der Grundlage für die Berechnung des Schadens sei, eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.446,34 EUR abzuziehen, die ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km berechnet sei, so dass der Schadensersatzanspruch 23.467,65 EUR betrage. Deliktszinsen seien im vorliegenden Fall nicht zuzusprechen, weil zum Zeitpunkt der Zahlung als dem maßgeblichen Zeitpunkt für den Zinsbeginn nicht vorgetragen sei.
Die klägerischen Ansprüche seien nicht verjährt. Es könne keine Kennntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin im Jahr 2015 von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners ...