Leitsatz (amtlich)
1. Ein Auftraggeber muss sich das Planungsverschulden des Architekten gegenüber dem Unternehmer in der Regel gemäß § 278 BGB bereits im Außenverhältnis anrechnen lassen. Deshalb ist der Haftungsanteil des Unternehmers um diese Quote von vornherein verkürzt. Eine gesamtschuldnerische Haftung ist deshalb nur im Umfang der gemeinsamen Quote des Unternehmers und des Architekten gegeben (Bestätigung von Senat, Urteil vom 7. Dezember 2010 - 10 U 140/09, juris Rn. 48; Urteil vom 31. Juli 2018 - 10 U 150/17, juris Rn. 27).
2. Ist die Klage eines Bauunternehmers auf die Feststellung gerichtet, dass der beklagte Planer im Innenverhältnis vollständig oder zu einer bestimmten Quote für Schäden infolge der mangelhaften Errichtung eines Bauwerks verantwortlich ist, setzt dies das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses voraus. Planerische Mitverursachungsbeiträge sind daher auszuklammern, weil insoweit ein Gesamtschuldverhältnis nicht besteht.
3. Bei der Gewichtung und Bewertung der Haftungsanteile der Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die unstreitig oder nachgewiesenermaßen ursächlich für den eingetretenen Mangel bzw. Schaden geworden sind.
4. Die Gewichtung der Haftungs- und Verantwortungsanteile hat individuell unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls zu erfolgen. Es gibt keinen Grundsatz, dass ein Ausführungsverschulden des Handwerkers das Überwachungsverschulden des Architekten immer überwiegt oder dass ein Planungsmangel immer ein größeres Gewicht hat als ein Ausführungsmangel.
5. Bei Stahlbetonarbeiten stellt die Vorgabe eines Nennmaßes c (nom) der Betondeckung keinen Mindestwert dar, der ohne weiteres überschritten werden darf. Das Nennmaß darf nur im Rahmen einer Toleranz überschritten werden. Diese ergibt sich aus der DIN 1045-3.
6. Der Unternehmer, der Stahlbetonarbeiten ausführt, hat üblicherweise beim Einbau der Bewehrung, spätestens vor dem Betonieren, zu überprüfen, ob die richtige Betondeckung erzielt wird.
7. Ist dem Tragwerksplaner als Besondere Leistung der Objektüberwachung die ingenieurtechnische Kontrolle der Ausführung des Tragwerks auf Übereinstimmung mit den geprüften statischen Unterlagen (§ 64 Abs. 3 Nr. 8 HOAI 2002 bzw. Anl. 14.1 zu § 51 Abs. 5 S. 1 HOAI 2013) übertragen, hat er regelmäßig nicht zu prüfen, wie hoch betoniert wird.
8. Der Objektüberwacher hat entweder bei der Abnahme der Bewehrung darauf zu achten, dass diese die erforderliche Höhe hat, oder er muss im Rahmen der Überwachung des Betonierens darauf achten, dass der Unternehmer überprüft, ob sich die Betondicke im Bereich zwischen der Minimal- und der Maximalbetondeckung bewegt.
Normenkette
BGB §§ 254, 278, 426 Abs. 1; HOAI 2002 § 64 Abs. 3 Nr. 8; VOB/B § 4 Nr. (Abs.) 3
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 10.12.2018; Aktenzeichen 4 O 142/12) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 10.12.2018, Az. 4 O 142/12, wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 10.12.2018, Az. 4 O 142/12, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten die Beklagte zu 30 % verantwortlich ist für die Rissschäden an der pfahlgestützten Bodenplatte und der Decke über dem Kellergeschoss Achse 1 bis 6 am Bauvorhaben X in B, Objekt Zentrale Logistik, und die Klägerin insoweit von sämtlich hierauf bezogenen Ansprüchen der Streithelferin der Beklagten in Höhe von 30 % freizustellen hat.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten die Klägerin zu 70 % verantwortlich ist für die Rissschäden an der pfahlgestützten Bodenplatte und der Decke über dem Kellergeschoss Achse 1 bis 6 am Bauvorhaben X in B., Objekt Zentrale Logistik, und die Beklagte insoweit von sämtlich hierauf bezogenen Ansprüchen der Streithelferin der Beklagten in Höhe von 70 % freizustellen hat.
Im Übrigen wird die Klage und die Widerklage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in I. Instanz tragen die Klägerin zu 70 % und die Beklagte zu 30 %. Die Kosten des Rechtsstreits in II. Instanz trägt die Klägerin.
Die Klägerin trägt die Kosten der Streithelferin der Beklagten in I. Instanz zu 70 % und in II. Instanz zu 100 %. Die Beklagte trägt die Kosten der Streithelferin der Klägerin in I. Instanz zu 30 %.
Im Übrigen tragen die Streithelferinnen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abgewendet werden, wenn nicht der Vollstreckungsschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage im Rahmen des Innenausgleichs unter Gesamtschuldnern über die Verantwortlichkeit für Baumängel.
1. Die Rechtsvorgängerin de...