Leitsatz (amtlich)

1. Im Urkundenprozess kann grundsätzlich auch die Zahlung von Werklohn aus einem Einheitspreis-Bauvertrag geltend gemacht werden.

2. Erkundigt sich eine Partei im Laufe des Rechtsstreits nicht bei dem von ihr mit der Planung und Bauüberwachung beauftragten Planungsbüro, ob dort zusammen mit dem unterzeichneten Bauvertrag ein Übersendungsanschreiben eingegangen ist, darf sie den Zugang dieses Schreibens beim Planungsbüro nicht mit Nichtwissen bestreiten, da sie verpflichtet ist, die ihr möglichen Informationen von Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (Anschluss an BGH, Versäumnisurteil vom 22.4.2016 - V ZR 256/14).

3. Die Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung, wenn die Beurkundung erkennbar nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags sein soll.

4. Hat ein Auftraggeber die Schlussrechnung gemäß § 14 Abs. 4 VOB/B selbst erstellt, kann er sich regelmäßig nicht auf die fehlende Prüffähigkeit dieser Schlussrechnung berufen.

5. Klagt ein Auftragnehmer restlichen Werklohn auf Grundlage einer vom Auftraggeber gemäß § 14 Abs. 4 VOB/B erstellten Schlussrechnung ein, muss er in der Schlussrechnung aufgeführte streitige Gegenforderungen nicht berücksichtigen. Es ist vielmehr Sache des Auftraggebers, das Bestehen dieser Gegenforderungen darzulegen und zu beweisen. Dies ist im Urkundenprozess nur mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln möglich.

 

Normenkette

ZPO §§ 592, 138 Abs. 3; BGB § 154 Abs. 2; VOB/B § 14 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 24.02.2017; Aktenzeichen 20 O 482/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Vorbehaltsurteil des LG Stuttgart vom 29.7.2016, Az. 20 O 482/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Vorbehaltsurteil des LG Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 58.454,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beklagten wenden sich gegen ein im Urkundenprozess ergangenes Vorbehaltsurteil, durch welches sie zur Zahlung von 29.227,10 EUR nebst Zinsen verurteilt wurden.

Die Beklagten errichteten in Stuttgart auf einem Hanggrundstück ein Einfamilienhaus. Zur Sicherung der oberhalb des Baugrundstücks verlaufenden Straße musste ein Spritzbetonverbau mit einer temporären Vernagelung hergestellt werden. Mit diesen Spezialtiefbauarbeiten beauftragten die Beklagten die Klägerin in einem VOB/B-Einheitspreisvertrag vom 17.9./15.10.2014. Mit der Planung und Bauüberwachung der Arbeiten beauftragten sie die P.

Die Beklagten zahlten auf die 1. Abschlagsrechnung der Klägerin 14.876,88 EUR. Die 2. Abschlagsrechnung wurde nicht beglichen. Nach erfolgloser Aufforderung an die Klägerin, die Schlussrechnung vorzulegen, erstellten die Beklagten eine Schlussrechnung gemäß § 14 Abs. 4 VOB/B mit Datum vom 4.8.2015 und übersandten diese der Klägerin. Danach belief sich der Vergütungsanspruch der Klägerin auf 44.504,52 EUR brutto. Aufgrund zahlreicher Abzüge errechneten die Beklagten aber einen Saldo zu ihren Gunsten von 12.995,06 EUR.

Am 11.11.2015 fand die Abnahme statt.

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Vorbehaltsurteils des LG Stuttgart vom 29.7.2016, Az.: 20 O 482/15, verwiesen.

Das LG hat die Beklagten unter Vorbehalt der Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren im Wege des Vorbehaltsurteils antragsgemäß verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 29.227,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.12.2015 zu zahlen.

Die Klage sei im Urkundenprozess statthaft. Der Abschluss des Bauvertrags sei mit Urkunden belegt, ferner die Abnahme und Leistungserbringung sowie die Schlussrechnung.

Der Klägerin stehe ein Zahlungsanspruch in Höhe von 29.227,10 EUR aus § 631 BGB zu. Zwischen den Parteien sei ein Bauvertrag nach Maßgabe des Schreibens der Klägerin vom 15.10.2015 zustande gekommen. Es werde den Beklagten nicht geglaubt, dass sie dieses Schreiben der Klägerin nicht erhalten hätten.

Die Höhe der Forderung ergebe sich aus der von den Beklagten gemäß § 14 Abs. 4 VOB/B erstellten Schlussrechnung. Die Abschlagsrechnung vom 12.3.2015 sei ausweislich des Vermerks am 23.3.2015 geprüft worden. Fernliegend erscheine, dass der Beklagte, der selbst Architekt sei, eine eigene Schlussrechnung erstelle, ohne die zugrunde liegenden Zahlen geprüft zu haben. Aus der Schlussrechnung ergebe sich ein Werklohnanspruch von 44.504,52 EUR brutto. Nach Abzug der geleisteten Abschlagszahlung von 14.876,88 EUR und der Bauumlage von 400,54 EUR ergebe sich der titulierte Betrag.

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