Leitsatz (amtlich)
1. Zur stillschweigenden Abbendigung der CISG bei und nach Abschluss des Kaufvertrages.
2. Zur Länge der "angemessenen Frist" zur Erklärung einer Vertragsaufhebung nach Art. 49 Abs. 2 lit. b CISG.
Normenkette
CISG Art. 1 Abs. 2, Art. 2 lit. a, Art. 6, 49 Abs. 2 lit. b
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 30.08.2007; Aktenzeichen 16 O 201/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 30.8.2007 (16 O 201/07) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 16.000 EUR.
Tatbestand
I. Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft lettischen Rechts, begehrt von der Beklagten, einer deutschen gewerblichen Kraftfahrzeughändlerin, die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Kraftfahrzeug durch Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges, durch die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und durch Ersatz verschiedener Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Durchführung des Kaufvertrags und der Vorbereitung der Rückabwicklung entstanden sein sollen.
1. Das Fahrzeug war früher bei der ... Bank A.G. als Dienstfahrzeug verwendet worden. Während dieser Zeit erlitt es einen Schaden, zu dessen Behebung auch Lackierarbeiten für über 500 EUR durchgeführt wurden. Als das Fahrzeug 4 Jahre alt geworden war und eine Laufleistung von über 100.000 km erreicht hatte, verkaufte es die ... Bank A.G. Die Beklagte erwarb es über zumindest einen Zwischenhändler.
Anschließend inserierte die Beklagte das Fahrzeug im Internet. Ein Mitarbeiter der Klägerin fand Interesse an ihm, evtl. zur Verwendung für seine eigenen privaten Zwecke. Es fanden fernmündliche Verhandlungen entweder zwischen der Klägerin direkt oder einem in Deutschland wohnhaften Vertreter der Klägerin und der Beklagten statt. Ohne dass die Klägerin das Fahrzeug besichtigt gehabt hätte oder sie der Beklagten mitgeteilt hätte, dass das Fahrzeug für einen ihrer Mitarbeiter sein sollte, schlossen die Parteien per Faxaustausch einen schriftlichen Kaufvertrag über das Fahrzeug. In ihn hatte die Beklagte auf Insistieren der Klägerin handschriftlich eingetragen: "keine Nachlackierungen". Das Kaufvertragsformular nimmt i.Ü. auf Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten Bezug, die einen Gerichtsstand am Sitz des Verkäufers vorsehen.
Die Klägerin bezahlte den Kaufpreis von 11.500 EUR, anschließend wurde das Fahrzeug auf Kosten der Klägerin nach Riga transportiert. Bei der ersten Besichtigung des Fahrzeugs stellte die Klägerin am 7.7.2006 die Nachlackierung fest.
Mit Schreiben vom 15.7.2006 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte und verlangte von ihr unter Fristsetzung bis zum 2.8.2006 eine Zahlung von 2.500 EUR. Er berief sich hierzu auf einen erheblichen Unfallschaden, der nicht fachgerecht repariert sei und zu dessen Behebung Lackierarbeiten im Wert von ca. 900 EUR erforderlich seien, sowie auf angeblich geschuldete, aber nicht gelieferte Winterreifen. Bei Nichtzahlung würde seine Mandantschaft vom Vertrag zurücktreten und weitergehenden Schadensersatz verlangen.
Der frühere Prozessbevollmächtigte der Beklagten räumte mit Schreiben vom 20.7.2006 an den Klägervertreter zwar die Nachlackierung ein, dieser liege aber nur ein geringfügiger Vandalismusschaden zugrunde. Außerdem sei die Lackierung ordnungsgemäß erfolgt. Daher stünden der Klägerin keine Ansprüche zu. Er verwies die Klägerin auf den Klageweg. Im Wege einer außergerichtlichen Beilegung sei die Klägerin allerdings kulanzhalber bereit, einen Satz Winterreifen nachzuliefern.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 9.8.2006 beharrte die Klägerin unter Setzung einer "letzten Frist" bis 23.8.2006 auf ihrer Rechtsposition und einem "Schadensersatz" von 2.500 EUR.
Der frühere Prozessbevollmächtigte der Beklagten reagierte hierauf mit Schreiben vom 11.8.2006 und bot an, dass die Beklagte das Fahrzeug auf eigene Kosten zurücknehme. Die Zahlung von Schadensersatz komme aber nicht in Betracht.
Die Klägerin verblieb mit Schreiben vom 15.8.2006 bei ihrer Rechtsposition, reduzierte aber den Betrag auf 1.500 EUR, der bis 23.8.2006 zu zahlen sei. Ansonsten werde Klage erhoben.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz hat die Klägerin behauptet, dass sie das Fahrzeug erst nach dem 28.8.2006 aus dem Zollgelände habe abholen können, um es danach einer genauen technischen Untersuchung zuzuführen. Zudem sei ihre Geschäftsführerin vom 1. bis 20.9.2006 in der Russischen Föderation gewesen.
Mit Schreiben vom 25.9.2006, das beim früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten spätestens am 28.9.2006 einging, erklärte der Klägervertreter für die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Wegen des Weiteren unstreitigen Vorbringens der Parteien sowie des streitigen Vorbringens in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das Urteil des L...