Leitsatz (amtlich)
1. Der Mangel eines Werks (hier: abtropfendes Kondensat von einer Dacheindeckung mit Stahltrapezblechen) ist dem Unternehmer - auch ohne einen Bedenkenhinweis - nicht zurechenbar, wenn dem Besteller die Funktionseinschränkung der vereinbarten Ausführung des Werks bekannt ist und er sich in Kenntnis der Funktionseinschränkung eigenverantwortlich dennoch für diese Ausführung entschieden hat.
2. Der mit der Neueindeckung einer Mehrzahl von Dächern eines früher landwirt-schaftlich genutzten Gebäudekomplexes beauftragte Unternehmer genügt seiner Prüfungs- und Hinweispflicht, wenn die Nutzung der einzelnen Gebäude bzw. Gebäudeteile ihm nicht bekannt und nicht ohne weiteres erkennbar ist, er den Besteller auf die Möglichkeit der Tropfenbildung bei der Verwendung von nichtkaschiertem Stahlblech hinweist, und der Besteller konkret bezüglich einzelner Gebäude bzw. Gebäudeteile eine höherwertige Ausführung (z.B. mit einer "Antitropfbeschichtung") anordnet. Der Unternehmer ist dann nicht verpflichtet, hinsichtlich der übrigen Gebäude bzw. Gebäudeteile ebenfalls die Verwendung von Stahlblechen mit einer Antitropfbeschichtung zu empfehlen. Er ist auch nicht verpflichtet, eigene Nachforschungen bezüglich der Nutzung der übrigen Gebäude anzustellen.
3. Behauptet ein Besteller, er habe mit dem Unternehmer vereinbart, dass die Werkleistungen unentgeltlich erbracht werden soll, hat er die Unentgeltlichkeit zu beweisen.
Normenkette
BGB § 633 Abs. 2, § 632 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Ulm (Urteil vom 01.08.2014; Aktenzeichen 2 O 122/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Ulm vom 1.8.2014 - 2 O 122/12, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 39.029,59 EUR nebst
Jahreszinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.2.2012 sowie vorgerichtliche
Anwaltskosten i.H.v. 1.192,60 EUR zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des LG Ulm vom 1.8.2014 - 2 O 122/12, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Berufungsurteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 192.036,93 EUR
(Klage: 42.036,93 EUR
Widerklage: 150.000 EUR)
Gründe
I. Die Klägerin macht restlichen Werklohn für die Neueindeckung von Dächern einer ehemaligen Geflügelfarm geltend. Die Beklagte begehrt widerklagend die Nachbesserung der Arbeiten sowie die Feststellung, dass die Klägerin zum Ersatz des Schadens aufgrund der mangelhaften Arbeiten verpflichtet ist.
Die Beklagte ist Eigentümerin eines Grundstücks in E., auf dem sie mit ihrer Familie wohnt und auf dem früher eine Geflügelfarm betrieben wurde. Verschiedene Gebäude und Flächen auf dem Grundstück sind an Dritte vermietet.
Auf Vermittlung des Zeugen R. kam es im September 2011 zum Abschluss eines Gestattungsvertrages zwischen der Klägerin und einem Investor. Die Klägerin gestattete diesem, auf den näher bezeichneten Dachflächen eine Fotovoltaikanlage zu installieren und langfristig zu nutzen. Anstatt eines Nutzungsentgeltes verpflichtete sich der Investor, die mit Eternit belegten Dachflächen professionell zu sanieren, das Altmaterial zu entsorgen und die Dachflächen mit neuem Stahltrapezblech zu belegen. Ebenfalls im September 2011 kam es zum Abschluss eines Bauvertrages, mit welchem die Beklagte die Klägerin mit der Neueindeckung der Dächer beauftragte. Bei einem Termin im Oktober wurde vereinbart, dass bei einigen Gebäuden bzw. Gebäudeteilen vlieskaschiertes Stahltrapezblech verwendet werden soll und das Dach einer Garage mit Sandwichelementen versehen werden soll. Zwischen den Parteien steht allerdings im Streit, welche Gespräche und Vereinbarungen insoweit getroffen wurden.
Bei einem Teil der sanierten Dachflächen wurden Stahlbleche eingebaut, die an der Unterseite als sog. "Antitropfbeschichtung" mit einer Vlieskaschierung versehen sind. Ein Gebäude, in dem der Lebensgefährte der Beklagten Fahrzeuge untergestellt hatte, wurde mit Sandwichelementen mit einer PU-Dämmung eingedeckt.
Aus der Schlussrechnung der Klägerin vom 21.12.2011 steht noch ein Restbetrag von 39.029,59 EUR brutto zur Zahlung offen. Ferner hat die Beklagte eine weitere Rechnung der Klägerin vom 10.2.2012 über 3.007,34 EUR brutto für die Neueindeckung des Daches eines Gartenhauses nicht beglichen.
Mitte März 2012 rügte die Beklagte schriftlich das Vorliegen von Mängeln: Von der Innenseite der Dachfläche tropfe Kondensat in die teilweise vorhandene Dämmung, die Dachstuhlkonstruktion und in die Räume ab. Mit ihrer Widerklage erstrebt sie die Verurteilung der Klägerin zur Nachbesserung der Dachfläche dergestalt, dass von dort kein ...