Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung; wechselseitige Verfügungen in Ehegattentestament
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig bedenken, kann die Wechselbezüglichkeit dieser Verfügungen rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint werden, dass die Verfügungen nicht gleich lautend formuliert sind, das Testament zu Gunsten des Überlebenden eine Freistellungsklausel enthält und der Erstversterbende zu Lebzeiten in Kenntnis des Widerrufs der von dem überlebenden Ehegatten getroffenen Verfügungen davon ausgegangen ist, dass seine testamentarischen Anordnungen noch Gültigkeit haben.
Normenkette
BGB §§ 2270, 2271 Abs. 1 S. 1, § 2296 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 16.07.2003; Aktenzeichen 2 T 354/02) |
AG Betzdorf (Aktenzeichen 6 VI 252/01) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf bis zu 3.000 Euro festgesetzt.
Der Gegenstandswert des Erstbeschwerdeverfahrens wird – insoweit in Abänderung des angefochtenen Beschlusses – auf bis zu 19.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligte zu 3) und ihr Ehemann, der spätere Erblasser, errichteten am 26.8.1976 vor einem Notar ein gemeinschaftliches Testament. Der Erblasser setzte die Beteiligte zu 3) zu seiner „alleinigen und unbeschränkten Erbin” ein, während diese die gemeinsame Tochter (die Beteiligte zu 4) und einen Sohn des Erblassers aus erster Ehe (den Beteiligten zu 1) zu Miterben berief. Mit notarieller Urkunde vom 28.5.1982, die ebenfalls die Überschrift „gemeinschaftliches Testament” trägt und von beiden Ehegatten unterschrieben wurde, änderte die Beteiligte zu 3) ihre letztwillige Verfügung dahin, dass ihr Ehemann befreiter Vorerbe sowie die Beteiligten zu 1) und 4) Nacherben werden sollten. Mit der ihrem Ehemann zugestellten notariellen Urkunde vom 9.9.1987 widerrief die Beteiligte zu 3) ihre letztwilligen Verfügungen.
Nach dem Tod des Erblassers erteilte das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 1) auf dessen Antrag einen gemeinschaftlichen Erbschein, der vom Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausging. Den später gestellten Antrag der Beteiligten zu 3), ihr einen Alleinerbschein auf der Grundlage testamentarischer Erbfolge zu erteilen, lehnte das Nachlassgericht ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg: Das LG wies das AG an, der Beteiligten zu 3) den begehrten Alleinerbschein zu erteilen und den gemeinschaftlichen Erbschein einzuziehen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1).
Entscheidungsgründe
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27, 29 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 4, 20 Abs. 1, 21 FGG). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt aus seiner Rechtsbehauptung, entgegen der Auffassung des LG Miterbe zu 1/6 zu sein (vgl. BGH FamRZ 1974, 645 [646]; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.8.2002 – 3 W 122/02; BayObLG v. 2.6.1982 – BReg.1 Z 45/81, BayObLGZ 1982, 236 [238 f.]; FamRZ 1976, 101 [102], jew. m.w.N.).
II. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Das LG hat in seiner sorgfältig begründeten Entscheidung den Beschluss des Nachlassrichters vom 30.1.2002 aufgehoben und das AG angewiesen, den ausgestellten gemeinschaftlichen Erbschein vom 20.11.2001 einzuziehen sowie der Beteiligten zu 3) einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweist. Im Unterschied zum AG ist die Beschwerdekammer der Auffassung, die von dem Erblasser und der Beteiligten zu 3) errichteten gemeinschaftlichen Testamente vom 26.8.1976 (Urk.-Nr. …) und 28.5.1982 (Urk.-Nr. …) enthielten keine wechselbezüglichen Verfügungen. Daher habe der Umstand, dass die Beteiligte zu 3) zu Lebzeiten ihres Ehemanns ihre in den vorgenannten Testamenten enthaltenen letztwilligen Verfügungen mit notarieller Urkunde vom 9.9.1987 (Urk.-Nr. …) widerrufen habe, keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der von dem Erblasser getroffenen Verfügung von Todes wegen (vgl. § 2270 Abs. 1 BGB). Nach § 1 der notariellen Urkunde vom 26.8.1976 habe der Erblasser seine Ehefrau, die Beteiligte zu 3), zu seiner „alleinigen und unbeschränkten Erbin” berufen. Dies begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken:
1. Die Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit des gemeinschaftlichen Testaments vom 26.8.1976 – eine im Verfahren der weiteren Beschwerde nachprüfbare Rechtsfrage (vgl. OLG Zweibrücken v. 14.3.1997 – 3 W 28/97, OLGReport Zweibrücken 1997, 224 = FGPrax 1997, 152 und ständig) – hat das LG zutreffend bejaht. Dabei ist es ersichtlich davon ausgegangen, dass bei der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments auch der Wille der Beteiligten zu 3) zu berücksichtigen ist. Das LG hat weiter ausgeführt, dass bei der Ermittlung des Willens der Testierenden auch Umstände herangezogen werden können, die außerhalb des Testaments liegen, wie früh...