Leitsatz (amtlich)
Durch die fehlende Speicherung sog. Rohmessdaten und Hilfsgrößen wird der Betroffene nicht in seinen Verteidigungsrechten unfair beeinträchtigt (btr. Poliscan FM1, Softwareversion 4.4.9).
Verfahrensgang
AG Kaiserslautern (Entscheidung vom 18.08.2021; Aktenzeichen 8 OWi 6070 Js 9593/21) |
Tenor
- Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 18.08.2021 wird als unbegründet verworfen, jedoch wird der Tenor des Urteils dahingehend berichtigt, dass der Betroffene wegen vorsätzlichen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 260,00 Euro verurteilt ist.
- Dem Beschwerdeführer werden die Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf dessen wirksamen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz - Zentrale Bußgeldstelle vom 04.01.2021 (Az.: ...) wegen vorsätzlichen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit "innerhalb geschlossener Ortschaften" um 32 km/h zu einer Geldbuße von 260,00 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 14.10.2021 die Verfahrensakten dem Senat vorgelegt. Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom heutigen Tage gem. § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG zulassungsfreie Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig, führt in der Sache aber lediglich zu einer Berichtigung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Betroffene am 09.09.2020 um 22:28 Uhr mit einem PKW die BAB 6 in der Gemarkung Kaiserslautern in Fahrtrichtung Saarbrücken. Die mittels eines Geschwindigkeitstrichters (100 km/h - 80 km/h - 60 km/h) herab geregelte Höchstgeschwindigkeit betrug am Messort (Fahrtrichtungskilometer 625,8) 60 km/h. Der Betroffene wurde mit dem Messgerät PoliScan FM 1 (Softwareversion 4.4.9) mit einer Geschwindigkeit (vor Toleranzabzug) von 95 km/h gemessen. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war ihm bewusst und von ihm billigend in Kauf genommen worden.
II.
Die Rechtsbeschwerde rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
1. Die - nicht näher ausgeführte - Sachrüge ist unbegründet. Das Amtsgericht hat lediglich versehentlich in der Entscheidungsformel eine Übertretung innerhalb geschlossener Ortschaften tenoriert. Ausweislich den im schriftlichen Urteil enthaltenen Angaben zum Ort der Geschwindigkeitsmessung (der dem Senat aus zahlreichen anderen Bußgeldverfahren sowie eigener Ortskenntnis bekannt ist) befindet sich die fragliche Messstelle außerhalb des Stadtbereichs von Kaiserslautern. Das Amtsgericht hat - insoweit folgerichtig - bei der Bemessung der Geldbuße auf den in Nr. 11.3.6 BKatV für Übertretungen außerhalb geschlossener Ortschaften genannten Betrag abgestellt. Dies belegt, dass es sich bei der Bezeichnung "innerhalb" um ein offensichtliches Verkündungsversehen handelt, welches der Senat beheben kann.
Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des Urteils keinen den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
2. Die formgerecht erhobene Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, mit der der Betroffene den fehlenden Zugang zu den seine Messung betreffenden Rohmessdaten (sog. Wegstreckenwerte) beanstandet, erweist sich ebenfalls als nicht durchgreifend:
a) Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
aa) Der Verteidiger des Betroffenen hat nach Erhebung eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid mit Schriftsatz vom 09.02.2021 u.a. beantragt, Einsicht "in die Falldatensätze der gesamten tatgegenständlichen Messreihe mit Rohmessdaten/Einzelwerten" zu erhalten; zugleich hat er "vorsorglich" einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Mit Beschluss vom 09.06.2021 hat das Amtsgericht der Bußgeldbehörde aufgegeben, dem Betroffenen durch seinen Verteidiger "Einsicht in die Messreihe vom Tattag (09.09.2020) zu gewähren". Mit Schreiben vom 16.06.2021 hat die Bußgeldbehörde dem Verteidiger eine Daten-CD überlassen. Mit Schriftsatz vom 04.08.2021 hat der Verteidiger (nach mittlerweile erfolgter Abgabe der Sache gem. § 69 Abs. 3 OWiG) dem Amtsgericht ein Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen für Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßenverkehr O. N. übermittelt. Zugleich hat er für die anstehende Verhandlung die Erhebung eines Widerspruchs gegen die Verwertung der Messung angekündigt und zu dessen Begründung ausgeführt, bei der verwendeten Messgerätesoftware 4.4.9 könne anhand der XML-Textdatei weder eine exakte, noch eine näherungsweise Berechnung der dokumentierten Geschwindigkeit durchgeführt werden.
bb) Aus dem vorgelegten Gutachten des Privatsachverständigen - welches nach den schriftlichen Urteilsgründen auch Gegenstand der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gewes...