Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfbarkeit des Vorliegens einer optisch nachteiligen baulichen Veränderung in der Rechtsbeschwerdeinstanz
Leitsatz (amtlich)
Die Feststellung, ob eine ohne Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer vorgenommene bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Anbringung einer Markise) den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändert, obliegt grundsätzlich den Tatrichtern. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 31.10.2003; Aktenzeichen 2 T 298/03) |
AG Koblenz (Aktenzeichen 133 UR II 25/02 WEG) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.
III. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) bis 7) sind die Eigentümer der von dem Verfahren betroffenen Wohnanlage, die von der Beteiligten zu 8) verwaltet wird.
Der Antragstellerin und der Antragsgegnerin gehören nebeneinander liegende Wohnungen im dritten Geschoss. Diese haben auf der von der Straßenfront abgewandten Nordseite des Gebäudes jeweils einen Balkon, wobei die Balkonflächen der Wohnungen durch eine Glasscheibe voneinander getrennt sind.
Die Antragsgegnerin hat im Jahr 2002 ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer über ihrem Balkon eine 5 m lange und auf eine Breite von 1,5 m ausfahrbare Markise anbringen lassen; diese ist in der Bodenplatte des Balkons der Oberliegerwohnung verankert.
In dem vorliegenden Verfahren verlangt die Antragstellerin die Beseitigung der Markise. Der Antrag war beim AG erfolgreich. Demgegenüber hat auf die Erstbeschwerde der Antragsgegnerin hin das LG nach Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit das Beseitigungsverlangen der Antragstellerin zurückgewiesen, weil - wie in der Entscheidung näher ausgeführt wird - die Wohnungseigentümer nach den Umständen des vorliegenden Falles durch die bauliche Veränderung keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil erführen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Beseitigungsverlangen weiterverfolgt.
II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 WEG, §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG).
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die Tatrichter haben vielmehr mit aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen einen Beseitigungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin gem. § 1004 BGB, §§ 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG verneint.
a) Im Ausgangspunkt ist richtig, dass das Anbringen einer Markise eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG darstellt, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Eine so geartete bauliche Veränderung bedarf auch grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Entbehrlich ist diese Zustimmung allerdings dann, wenn die Wohnungseigentümer durch die Maßnahme keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil erfahren (§§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG). Maßgebend ist danach, ob den anderen Wohnungseigentümern durch die bauliche Maßnahme in vermeidbarer Weise ein Nachteil erwächst. Unter Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche konkrete Beeinträchtigung zu verstehen. Indes stellt nicht jede Veränderung, etwa des optisch-architektonischen Erscheinungsbildes der Wohnanlage, bereits eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung dar. Ein nicht hinzunehmender optischer Nachteil liegt vielmehr nur bei solchen Veränderungen vor, die sich objektiv nachteilig auf das äußere Bild der Wohnanlage auswirken; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. zum Ganzen BGH v. 19.12.1991 - V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = MDR 1992, 484 = NJW 1992, 978 [979]; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.9.1999 - 3 W 141/99, OLGReport Zweibrücken 2000, 131 = MDR 2000, 696 = FGPrax 1999, 220; v. 14.10.2002 - 3 W 182/02, OLGReport Zweibrücken 2003, 69 = ZWE 2003, 274 [276]; sowie v. 21.11.2002 - 3 W 179/02, OLGReport Zweibrücken 2003, 168 = FGPrax 2003, 60; BayObLG v. 1.6.1995 - 2Z BR 34/95, BayObLGReport 1995, 75 = NJW-RR 1996, 266; v. 30.1.2003 - 2Z BR 121/02, NJW-RR 2003, 952 [953], jeweils m.w.N.).
b) Einen Verstoß gegen diese Rechtsgrundsätze lässt die Entscheidung des LG nicht erkennen.
In rechtlicher Hinsicht ist obergerichtlich entschieden, dass...