Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmungsbefugnis des Gerichts i.S.v. § 94 Abs. 3 S. 2 1. Hs. KostO umfasst sowohl die Gebühren als auch die Auslagen (so auch Waldner in Rohs/Wedewer, Kommentar zur Kostenordnung, 3. Aufl., § 94 Rz. 27; Hartmann, Kostengesetze, KostO, 32. Aufl., § 94 Rz. 27; Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kostenordnung, 15. Aufl., § 94 Rz. 33 unter Aufgabe der bisher vertretenen Auffassung).
2. Im Hinblick darauf ist es Aufgabe des Gerichts, im Rahmen einer Kostengrundentscheidung darüber zu befinden, welcher der Beteiligten nach billigem - oder besser: pflichtgemäßem - Ermessen in welchem Umfang Gebühren und Auslagen zu tragen hat.
Verfahrensgang
AG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 12.12.2002; Aktenzeichen 2 F 495/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert:
Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Kostenansatz der Landesjustizkasse Mainz vom 28.11.2002 aufgehoben.
Gründe
Das - gem. den §§ 14 Abs. 3 S. 1 KostO, 19 Abs. 1 FGG zulässige - Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Mit Beschluss vom 19.12.2002 hat das FamG seinen Verbindungsbeschluss vom 25.11.2002 rückgängig gemacht, indem es die Folgesache "elterliche Sorge" aus dem Scheidungsverbund herausgelöst und abgetrennt hat. Mit der Abtrennung ist das Verfahren (wieder) eine so genannte isolierte Familiensache, auf die ausschließlich die Bestimmungen des FGG sowie diejenigen der Kostenordnung Anwendung finden (vgl. zu letzterem Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kostenordnung, 15. Aufl., § 94 Rz. 42, § 1 Rz. 14).
Der zu Lasten der Antragstellerin ergangene Kostenansatz der Staatskasse - Ersatz der Auslagen für ein kinderpsychologisches Gutachten i.H.v. 4.822,12 Euro - kann keinen Bestand haben, weil es an der erforderlichen Kostengrundentscheidung des FamG fehlt.
Gemäß § 94 Abs. 3 S. 2 KostO ist in den Fällen des Abs. 1 Nrn. 3 - 6 (hier: Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Kernbereich der elterlichen Sorge i.S.v. § 94 Abs. 1 Nr. 4 KostO)... nur der Beteiligte zahlungspflichtig, den das Gericht nach billigem Ermessen bestimmt; gem. § 94 Abs. 3 S. 2 2. Halbs. KostO n.F., in Kraft seit 1.1.2002, kann das Gericht auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten (vorher: Gebühr) abzusehen ist.
Aus der Verwendung des Begriffes "Gebühr" in § 94 Abs. 3 S. 2 2. Hs. KostO a.F. wurde bisher in Rechtsprechung und Literatur überwiegend geschlossen, dass das Gericht lediglich von der Erhebung der Gerichtsgebühr absehen konnte; dagegen sollte der Erlass der Auslagen nicht möglich sein (siehe Übersicht zu den divergierenden Meinungen bei Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kostenordnung, 15. Aufl., § 94 Rz. 80, 81). Mit dieser engen Auslegung wurde der Zweck der Vorschrift weitgehend verfehlt, weil die anfallende Gebühr geringfügig ist, während die Auslagen - insb. für eingeholte Gutachten - ein Vielfaches betragen können (vgl. Waldner in Rohs/Wedewer, Kommentar zur Kostenordnung, 3. Aufl., § 94 Rz. 26; Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kostenordnung, 15. Aufl., § 94 Rz. 33). So beträgt die volle Gebühr bei dem hier anzusetzenden Regelgeschäftswert von 3.000 Euro nur 26 Euro, während sich die Auslagen für das kinderpsychologische Gutachten auf 4.822,12 Euro belaufen.
Das sog. Gewaltschutzgesetz hat den Begriff "Gebühr" durch denjenigen "der Kosten" ersetzt und damit klargestellt, dass Gebühren und Auslagen i.S.v. § 1 KostO erlassen werden können (vgl. BT-Drucks. 14/5429, 36; Waldner in Rohs/Wedewer, Kommentar zur Kostenordnung, 3. Aufl., § 94 Rz. 26).
Diese Änderung erlaubt nach Auffassung des Senats die - zwingende - Schlussfolgerung, dass die Bestimmungsbefugnis des Gerichts i.S.v. § 94 Abs. 3 S. 2 1. Hs. KostO sowohl die Gebühren als auch die Auslagen umfassen muss (so auch Waldner in Rohs/Wedewer, Kommentar zur Kostenordnung, 3. Aufl., § 94 Rz. 27; Hartmann, Kostengesetze, KostO, 32. Aufl., § 94 Rz. 27; Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kostenordnung, 15. Aufl., § 94 Rz. 33 unter Aufgabe der bisher vertretenen Auffassung).
Mit anderen Worten: Im Hinblick auf die Neufassung des § 94 Abs. 3 S. 2 2. Hs. KostO ist es Aufgabe des Gerichts, im Rahmen einer Kostengrundentscheidung darüber zu befinden, welcher der Beteiligten nach billigem - oder besser: pflichtgemäßem - Ermessen in welchem Umfang Gebühren und Auslagen zu tragen hat.
Dem - auf die Bestimmung des § 16 Abs. 1 S. 1 KostO zielenden - Einwand der Antragstellerin, das FamG habe "ohne Not" ein Gutachten veranlasst, vermag der Senat im Ergebnis nicht zu folgen. Der Entschluss des FamG, zur Frage der Erziehungseignung der Eltern sowie der Bindungen der Kinder zu den wechselseitig um das Aufenthaltsbestimmungsrecht nachhaltig streitenden Elternteilen ein Gutachten einzuholen, stellt jedenfalls (noch) keine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 16 Abs. 1 S. 1 KostO dar.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 7 KostO).
Die Festsetzung eines Beschwerdewertes erübrigt sich daher.
Fundstellen