Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung eines Erbscheins. Testament
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Formgültigkeit eines Nottestaments.
Normenkette
BGB § 2250
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 27.05.1986; Aktenzeichen 8 T 56/86) |
AG Mainz (Beschluss vom 24.02.1986; Aktenzeichen 4 VI 90/85) |
Tenor
1. Der Beschluß der B. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 27. Mai 1986 sowie der Beschluß des Amtsgerichts Mainz vom 24. Februar 1986 werden aufgehoben.
2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 250 000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 1) ist die nichteheliche Tochter der Erblasserin. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Söhne ihrer Schwester.
Die Erblasserin hatte am 18. Februar 1943 mit ihrem vorverstorbenen Ehemann einen notariellen Erbvertrag geschlossen, der durch einen notariellen Erbvertrag vom 23. Juli 1962 aufgehoben worden ist. In letzterem war die Erblasserin von ihrem Ehemann zu seiner Vorerbin eingesetzt.
Nacherbe zu 2/3 sollte der Beteiligte zu 2) und Nacherbe zu 1/3 der Beteiligte zu 3) sein. Die Vorerbin war von den Beschränkungen im Umfang des § 2136 BGB befreit.
Am 3. November 1976 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, das folgenden Inhalt hat:
„Testament
Am 23. Juli 1962 habe ich vor dem Notar … in … mit meinem am … verstorbenen Ehemann J. M. einen Erbvertrag abgeschlossen. In dessen Ziffer III ist die Möglichkeit vorgesehen, daß der überlebende von uns das Recht hat, die von ihm in diesem Erbvertrag getroffenen Verfügungen jederzeit zu widerrufen oder abzuändern. Im Hinblick auf diese Bestimmungen werden die Verfügungen im Erbvertrag widerrufen und mein letzter Wille wie folgt kundgetan:
I.
An der Vor- und Nacherbschaft soll sich nichts ändern. Nacherben sind die leiblichen Kinder meiner Schwester L. F. nämlich
- P. F.
- K. F. wohnhaft … je zur Hälfte ein.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erben sind nicht verpflichtet, meiner Tochter, A. M. G. geb. H. den Pflichtteil auszuzahlen. Diese hat ihren Pflichtteil bereits in der Weise erhalten, daß mein Anwesen in … (Zweifamilienhaus mit 0,0870 ha, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts …, Band … Blatt … Seite … an deren Sohn Herrn H. G. mit Urkunde des Notars …, vom 20. Dezember 1973 in Erfüllung des Pflichtteilanspruchs überlassen wurde. Meine Tochter hat sich damit ausdrücklich einverstanden erklärt.”
Weiterhin errichtete die Erblasserin am 23. April 1981 eine mit „Erklärung” überschriebene weitere letztwillige Verfügung, die u. a. folgende Bestimmungen enthält:
„Sofern meine Tochter nach meinem Tode das Pflichtteil verlangen sollte, so hat sie dies nicht zu bekommen aus zwei Gründen:
war abgesprochen, daß sie dann, wenn ich ihrem Sohn das Haus in … überschreibe, sie keine Pflichtteilansprüche geltend machen wird
und
- hat sie sowieso jedweden Anspruch auf ein Pflichtteil aus den in der seinerzeitigen Erklärung niedergelegten Gründen verwirkt. Es gilt jetzt also das Testament vom 3. November 1976 in Verbindung mit dem Erbvertrag vom 23. Juli 1962, wobei sich die Gründe, weshalb meine Tochter kein Pflichtteil erhält, aus der Erklärung, die dem Testament 1970 beigefügt war, ergibt.”
Schließlich existiert eine von drei Zeugen unterzeichnete Niederschrift vom 5. April 1984 mit folgendem Inhalt:
„Niederschrift
Wir, die drei Altenpflegerinnen C. S. W. L. L. N. haben heute, den 05.04.1984 um 14.00 Uhr Frau M. in ihrem Zimmer aufgesucht. Der Zustand von Frau M. läßt vermuten, daß sie nicht mehr lange zu leben hat. Sie ist sehr unruhig und redet von – da muß ich ja alles ändern.
Daraufhin habe ich sie gefragt, ob sie das Testament ändern möchte. Nein, ich kann ja nichts mehr rückgängig machen, war ihre Antwort. Ich sagte dann: Frau M. ihre Tochter soll also nicht erben – die Antwort von Frau M. war – doch, doch, doch. Ich, L. N. fragte nochmal zurück – soll Ihre Tochter doch erben, die Antwort von Frau M. war, ja, ja, ja.”
Ein Notar konnte so kurzfristig nicht beigeholt werden.
Alten-Pflegeheim |
gez. C. S. |
… |
gez. L. N. |
… |
gez. W. L. |
Die Antragstellerin sieht in dieser Niederschrift ein wirksames Nottestament, durch das ihre Mutter sie zu ihrer Erbin eingesetzt habe. Sie hat demgemäß die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Die Beschwerdegegner haben demgegenüber die Erteilung eines Erbscheines des Inhalts beantragt, daß der Beteiligte zu 2) Erbe zu 2/3 und der Beteiligte zu 3) Erbe zu 1/3 nach dem Nachlaß der Erblasserin geworden sei.
Das Amtsgericht hat nach Vernehmung der Zeuginnen N. L. und S. über die Umstände bei der Errichtung des Nottestaments durch Beschluß vom 24. Februar 1986 einen Vorbescheid des Inhalts erlassen, daß es beabsichtige, den Erbscheinsanträgen der Beteiligten zu 2) und 3) auf der Grundlage des Erbvertrages vom 23. Juli 1962 stattzugeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat die B. Zivilkammer des Landgerichts Mainz mit dem angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. In den Gründen dieser Entscheidung ist im wesentlichen ausgef...