Leitsatz (amtlich)
1. Die Festsetzung der angemessenen Barabfindung nach § 327f S. 2 i.V.m. §§ 327a Abs. 1 S. 1, 327b Abs. 1 S. 1 AktG setzt in einem ersten Schritt die Feststellung voraus, dass die angebotene Abfindung aus einem vom Antragsteller zu bezeichnenden Grund unangemessen untersetzt ist. Erst - und nur dann - wenn sich im Ergebnis der gerichtlichen Schätzung (§ 287 ZPO) eine solche Feststellung treffen lässt, ist das Gericht - in einem zweiten Schritt - zur Bestimmung und Festsetzung eines angemessenen Barabfindungsbetrages berufen.
2. Grundlage für die im ersten Schritt veranlasste gerichtliche Schätzung des Unternehmenswertes kann regelmäßig - jedenfalls auch - das geprüfte Bewertungsgutachten sein. Die Bestellung eines (weiteren) Sachverständigen im Spruchverfahren kann vor diesem Hintergrund regelmäßig allein dazu dienen, die vom Bewertungsgutachter gewählten (und vom Prüfer akzeptierten) Bewertungsmethoden auf ihre Gebräuchlichkeit, Anerkennung und methodengerechte Umsetzung zu prüfen. Wenn und soweit die vom Bewertungsgutachter vorgenommenen Bewertungen auf anerkannten, gebräuchlichen und methodengerecht angewendeten Ansätzen beruhen, ihnen zutreffende tatsächliche Annahmen zugrunde gelegt sind und die gewählten Ansätze auch in ihrer Gesamtheit in sachgerechter Weise vorgenommen wurden, ist das vom Bewertungsgutachten gefundene Ergebnis jedenfalls nicht unvertretbar und eine Abänderung der Barabfindung im Regelfall nicht veranlasst.
Normenkette
ZPO § 287; AktG § 327 f.
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 1 HK.O 19/06 AktG) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankenthal vom 1. Juli 2013 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Anträge auf Bestimmung der angemessenen Barabfindung werden zurückgewiesen.
2. Die sofortigen Beschwerden der Antragssteller zu 9, 25, 31, 32, 34, 35, 38 - 41 und 45 - 49 gegen den vorgenannten Beschluss werden zurückgewiesen.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten beider Rechtszüge einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters; eine Erstattung der in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.
4. Der Geschäftswert wird für beide Instanzen auf jeweils 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im gerichtlichen Spruchverfahren über die Angemessenheit der wegen des Ausscheidens der Minderheitsaktionäre aus der ... AG (nachfolgend: betroffenes Unternehmen) in Folge der Übertragung ihrer Anteile an die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin (sog. Squeeze-Out gem. § 327 a Abs. 1 S. 1 AktG) zu zahlenden Barabfindung.
A. Satzungsgemäßer Gegenstand des betroffenen Unternehmens war die Herstellung, Verarbeitung und der Vertrieb von Textil- und Kunststoffmaterialien, keramischen Boden- und Wandverkleidungen, Boden- und Wandverkleidungen aus Holz, textilen Erzeugnissen und Kunststofferzeugnissen, Industriefolien und kunststoffveredelten Geweben sowie Kunststoffartikeln aller Art sowie die Vornahme von sämtlichen damit einhergehenden Geschäften. Das betroffene Unternehmen war am Bewertungsstichtag an zahlreichen Unternehmen direkt oder indirekt beteiligt; der Konzernabschlussbericht für das Geschäftsjahr 2004 wies zwei inländische und 47 ausländische Tochterunternehmen im Rahmen der Vollkonsolidierung aus. Das eingetragene Grundkapitel betrug 103.043.028,48 EUR, welches in 40.252.043 Stückaktien aufgeteilt war. Die Aktien des betroffenen Unternehmens wurden am amtlichen Markt an der Wertpapierbörse in Frankfurt am Main und im Xetra-Handel sowie im Freiverkehr an weiteren Börsen gehandelt. Mehrheitsaktionären war die Antragsgegnerin mit einem Anteil von 97,15 % des Grundkapitals; 2,85 % der Aktien befand sich im Streubesitz.
B. Auf Antrag der in .../Frankreich ansässigen Antragsgegnerin fasste die Hauptversammlung des betroffenen Unternehmens am 20. Juni 2005 (= Bewertungsstichtag) den Beschluss, die noch im Streubesitz befindlichen Aktien gegen Zahlung einer Barabfindung in Höhe von 16,35 EUR je Aktie auf diese zu übertragen. Dem zugrunde lag ein von der Antragsgegnerin beauftragtes Wertermittlungsgutachten des Wirtschaftsprüfers Dipl.-Kfm. J... We... (Bewertungsgutachter) sowie der Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung, erstellt von der Wirtschaftsprüfergesellschaft A... T... & C... S... GmbH, die mit Beschluss des Landgerichts Frankenthal/Pfalz vom 10. März 2005 (2 HK.O 27/05) zur sachverständigen Prüferin bestellt worden war; zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Übernahmebericht vom 6. Mai 2005 und die dort in Bezug genommene Anlagen verwiesen (= Bl. 816 ff. d.A.).
Die Beschlussfassung wurde von mehreren Aktionären gerichtlich angefochten. Hierauf kam es vor dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken im Berufungsrechtzug am 13. Juli 2006 (4 U 21/06) zu einem Vergleich, wonach die zu zahlende Barabfindung auf einen Wert von 19,50 EUR je Aktie angehoben wurde. Der Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre ...