Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Vertretungsmacht des Betreuers wegen Interessenkollision
Leitsatz (amtlich)
Hat die verstorbene Mutter des Betreuten in einem „Behindertentestament” diesen zum Vorerben und eine nahe Angehörige der Vermögensbetreuerin zur Nacherbin und Testamentsvollstreckerin bestimmt, rechtfertigt dieser Umstand die Annahme eines bei der Betreuerin deshalb bestehenden erheblichen Interessengegensatzes i.S.v. § 1796 Abs. 2 BGB.
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 01.10.2003; Aktenzeichen 2 T 122/03) |
AG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 6 XVII 186/99) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I. Das VormG hat durch Beschluss vom 18.11.2002 die Beteiligte zu 1) zur Betreuerin des Betroffenen, u.a. für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge, bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 7.3.2003 hat es der Erstbeteiligten wegen eines Interessenkonflikts die Vertretungsmacht zur Vermögenssorge gem. §§ 1908i, 1796 BGB insoweit entzogen, als die Wahrung der Belange des Betroffenen aus dem Erbfall nach seiner Mutter in Rede steht; für die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist der Beteiligte zu 2) (Rechtsanwalt) als weiterer Betreuer bestellt worden. Die von der Beteiligten zu 1) dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG durch den Einzelrichter der Zivilkammer zurückgewiesen. Gegen dessen Entscheidung vom 1.10.2003 richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).
II. 1. Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft (§§ 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 3, 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG), wahrt die gesetzliche Form und Frist (§§ 29 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 4, 22 Abs. 1, 69 Abs. 4 S. 2 FGG) und ist auch i.Ü. verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die Befugnis der Beteiligten zu 1) zur weiteren Beschwerde folgt aus der Zurückweisung der Erstbeschwerde.
2. In der Sache hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg, Denn der angefochtene Beschluss des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Die Vorinstanzen sehen bei der Erstbeteiligten als Betreuerin des Betroffenen einen erheblichen Interessenkonflikt i.S.v. § 1796 Abs. 2 BGB in dem Umstand begründet, dass diese die Tochter der Beteiligten zu 4) ist, die von der verstorbenen Mutter des Betroffenen durch „Behindertentestament” vom 18.7.1996 zur Nacherbin und Testamentsvollstreckerin berufen worden ist.
Diese tatrichterliche Einschätzung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da das VormG nach freiem Ermessen zu entscheiden hat, ob ein erheblicher Interessengegensatz vorliegt, kann die weitere Beschwerde nur darauf gestützt werden, dass das VormG den Spielraum des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder den Begriff des erheblichen Interessengegensatzes verkannt habe (BGH NJW 1975, 345 [347]).
Das ist vorliegend – entgegen den Ausführungen in der Begründung der weiteren Beschwerde – jedoch nicht der Fall:
Bliebe die Beteiligte zu 1) umfassend bestellte Vermögensbetreuerin, würde es, da der Betroffene bedachter Vorerbe ist, zu ihren Aufgaben gehören, dessen Rechte und Kontrollmöglichkeiten ggü. der Testamentsvollstreckerin und Nacherbin, ihrer Mutter, auszuüben und ggf. durchzusetzen. Dass sich daraus die nahe liegende Gefahr eines Loyalitätskonflikts und eines Gegensatzes zu den wohlverstandenen Interessen des Betroffenen ergibt, liegt auf der Hand. Die gegensätzlichen Interessen müssen auch nicht etwa ausschließlich in der Person der Betreuerin selbst vorliegen; sie können sich auch aus einem Gegensatz zu den Interessen einer ihr nahe stehenden Person (hier: der Beteiligten zu 4) ergeben, die sie sich zu Eigen machen könnte (Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1796 Rz. 2).
Hinzu kommt, dass in dem Testament der Erblasserin vom 18.7.1996 die Beteiligte zu 1) und deren Abkömmlinge zu Ersatznacherben bestimmt worden sind; auch daraus folgt ein zusätzlicher Interessengegensatz in der eigenen Person der Betreuerin.
3. Da in Ansehung des Beschwerdevorbringens nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsbeschwerde auch im Interesse des Betroffenen eingelegt worden ist, beruht die Entscheidung über die Gerichtskosten auf § 131 Abs. 3 KostO. Eine Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen nach § 13a FGG ist nicht veranlasst, weil außer der Beteiligten zu 1) niemand an dem Verfahren der Rechtsbeschwerde beteiligt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1112774 |
FamRZ 2004, 834 |
FGPrax 2004, 30 |
ZEV 2004, 161 |
BtPrax 2004, 75 |
FPR 2004, 266 |
Rpfleger 2004, 162 |
ZFE 2004, 128 |
JWO-FamR 2004, 305 |
OLGR-KSZ 2004, 84 |
www.judicialis.de 2003 |