Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerhafte Besetzung der Beschwerdekammer im FG-Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Entscheidet im Erstbeschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Einzelrichter und fehlt ein Übertragungsbeschluss der Zivilkammer, so liegt der absolute Beschwerdegrund nach §§ 547 Nr. 1 ZPO i.V.m. 27 Abs. 1 S. 2 FGG vor. Auf Rechtsbeschwerde hin wird die Sache in einem solchen Fall an den Spruchkörper zurückverwiesen.

 

Normenkette

FGG § 27 Abs. 1, § 30 Abs. 1 S. 3; ZPO §§ 526, 547 Nr. 1, § 561

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 16.07.2003; Aktenzeichen 2 T 51/03, 2 T 65/03)

AG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 6 XVII 186/99)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Zivilkammer des LG zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das VormG hat durch Beschluss vom 18.11.2002 die Beteiligte zu 1) zur Betreuerin für den Betroffenen, u.a. für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge, bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 7.3.2003 hat es der Erstbeteiligten wegen eines Interessenkonflikts die Vertretungsmacht zur Vermögenssorge insoweit entzogen, als die Wahrung der Belange des Betroffenen aus dem Erbfall nach seiner Mutter in Rede steht. Die von der Beteiligten zu 1) dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG durch den Einzelrichter der Zivilkammer zurückgewiesen. Gegen dessen Entscheidung vom 16.7.2003 richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II. Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft (§§ 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 3, 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG), wahrt die gesetzliche Form und Frist (§§ 29 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 4, 22 Abs. 1, 69 Abs. 4 S. 2 FGG) und führt auch in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts, weil das Gericht der Erstbeschwerde durch den Einzelrichter nicht in vorschriftsmäßiger Besetzung entschieden hat und damit der absolute Beschwerdegrund gem. §§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. 547 Nr. 1 ZPO vorliegt (vgl. BGH v. 25.1.2001 – VII ZR 32/99, MDR 2001, 585 = BGHReport 2001, 258 = NJW 2001, 1357 zu § 551 Nr. 1 ZPO a.F.).

Nach § 75 GVG entscheiden die Zivilkammern der LG, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozessgesetze anstelle der Kammer der Einzelrichter zu entscheiden hat, in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluss des Vorsitzenden. In Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit darf der Einzelrichter der Zivilkammer gem. §§ 30 Abs. 1 S. 3 FGG i.V.m. 526 ZPO nur entscheiden, wenn ihm der Spruchkörper die Sache durch Beschluss zur Entscheidung übertragen hat. Ein solcher Beschluss der Zivilkammer ist vorliegend nicht ergangen, geschweige denn den am Verfahren Beteiligten i.S.v. § 16 FGG bekannt gegeben worden. Das belegt der Akteninhalt.

Wegen des fehlenden Übertragungsbeschlusses hat über die Erstbeschwerde nicht der gesetzliche Richter entschieden; daher ist die angefochtene Entscheidung ohne weitere Prüfung als auf der Rechtsverletzung beruhend anzusehen. Die Anwendung des § 561 ZPO (i.V.m. § 27 Abs. 1 S. 2 FGG) ist ausgeschlossen, weil der ursächliche Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und der Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27 Rz. 32; für den Zivilprozess vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 561 Rz. 1; Wenzel in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsbd, 2. Aufl., § 547 Rz. 23).

Die wegen des Verfahrensmangels sonach gebotene Zurückverweisung erfolgt an das Kollegium der Zivilkammer (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 526 Rz. 11; OLG Schleswig v. 11.7.1986 – 14 U 263/85, NJW 1988, 69; OLG Zweibrücken, Urt. v. 4.3.2002 – 7 U 157/01; v. 15.7.2002 – 7 U 19/02 jew. für den Zivilprozess).

Cierniak Petry Jenet

 

Fundstellen

Haufe-Index 1110248

FamRZ 2004, 564

FGPrax 2003, 268

OLGR-KSZ 2004, 68

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