Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeschwerde. Verletzung rechtlichen Gehörs. Ausbleiben in der Hauptverhandlung
Normenkette
OWiG § 74 Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Landau (Entscheidung vom 27.10.2011; Aktenzeichen 7296 Js 5683/11) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 27. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Landau in der Pfalz zurückverwiesen.
Gründe
Durch Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, Bußgeldstelle Speyer, vom 15. März 2011 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24, 25 StVG; 11.3.7 BKat; 4 Abs. 1 BKatV ein Bußgeld von 160,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat angeordnet. Den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Landau in der Pfalz durch das angefochtene Urteil vom 27. Oktober 2011 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung und ohne genügende Entschuldigung zur Hauptverhandlung nicht erschienen sei. Hiergegen wendet sich der Betroffenen mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung seines rechtlichen Gehörs rügt.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 OWiG) hat mit der ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe den Einspruch zu Unrecht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen und damit den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, einen vorläufigen Erfolg.
Wird der Einspruch des Betroffenen - wie hier - nach § 74 Abs. 2 OWiG wegen Ausbleibens in der Hauptverhandlung ohne Verhandlung zur Sache verworfen, so ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn über ein rechtzeitig gestellter Antrag, den Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, zu Unrecht nicht entschieden worden ist (vgl. OLG Bamberg, 2. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 30.10.2007, 2 Ss OWi 1409/07, 1 Ss OWi 1409/07, zitiert nach juris; KK-OWiG/Senge, 3. Aufl. § 73 Rn. 36 m.w.N.).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach dem durch den Akteninhalt bestätigten Vorbringen zur Rechtsbeschwerde hat der Betroffene über seinen Verteidiger bereits mit Schriftsatz vom 6. September 2011 zur Begründung seines Entbindungsantrags vortragen lassen, dass er das im Bußgeldbescheid genannte Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe und im Übrigen in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch mache. An den Entbindungsantrag hat er mit weiterem Schriftsatz vom 26. Oktober 2011 erinnert und seinen Antrag vorsorglich wiederholt.
Bei dieser Sachlage durfte die Bußgeldrichterin, weil von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kein weiterer Beitrag zur Sachaufklärung zu erwarten war, weder auf dem Erscheinen des zur Aussage nicht bereiten Betroffenen bestehen noch dessen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen (vgl. dazu näher Beschluss des Senats vom 12. Oktober 1999 - 1 Ss 195/99-, NZV 2000, 304 = DAR 2000, 86 = VRS 98, 215 und vom 23. Juni 2008 -1 Ss 92/08 -, zitiert nach juris). Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit bei einem nicht zur Aussage bereiten Betroffenen erfolgen soll. Das Unterlassen des rechtzeitig und begründet beantragten Entbindung des Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung durch das Amtsgericht war somit rechtsfehlerhaft und sperrte deshalb die Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG mit der Folge, dass das dennoch ergangene Verwerfungsurteil ebenfalls rechtsfehlerhaft ist.
Die rechtsfehlerhafte Verwerfung des Einspruchs des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG stellt nicht nur einen Verstoß gegen einfaches Verfahrensrecht, sondern wegen der dadurch unterbliebenen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Betroffenen in der Sache selbst (hier: Bestreiten der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung unter Behauptung eines Messfehlers sowie Beantragung der Erhebung von Sachverständigenbeweis dazu) auch eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Grundrechts auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG dar.
Die Sache ist daher unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Amtsgerichts Landau in der Pfalz zurückzuverweisen; es besteht dabei kein Anlass, einen anderen Amtsrichter mit der Sache zu befassen (§ 79 Abs. 3, Abs. 6 OWiG; §§ 353, 354 Abs. 2 StPO). In der neuen Verhandlung wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden sein (vgl. KK-OWiG aaO., § 79 Rn. 165). Die ergangene Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.
Fundstellen
Haufe-Index 3193179 |
ZfS 2012, 229 |