Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingreifen des FamG bei Verhinderung der Eltern an der Ausübung der elterlichen Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmung des § 1693 BGB ist konzeptionell auf die einstweilige Interessenwahrung des Kindes in dringenden Fällen beschränkt, in denen nicht gewartet werden kann, bis die Eltern wieder sorgerechtsfähig sind oder – bei längerem Ausfall – dauerhafte Schutzmaßnahmen für das Kind getroffen werden.

2. Unabdingbare Voraussetzung für ein Eingreifen des FamG ist, dass beide Eltern an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert sind und dass ein dringendes, anderweitig nicht abgedecktes Regelungsbedürfnis besteht.

 

Normenkette

BGB § 1693

 

Verfahrensgang

AG Landstuhl (Aktenzeichen 1 F 78/01)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 3.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft (§ 19 FGG) und auch sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 20, 21 FGG); gegen vorläufige Anordnungen des FamG in selbstständigen Familiensachen findet grundsätzlich das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde statt (vgl. Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 19 FGG Rz. 31a m.w.N.).

In der Sache führt das Rechtsmittel zu dem erstrebten Erfolg.

Der Beschluss des FamG über die vorläufige Schaffung einer Ergänzungspflegschaft mit den Aufgabenbereichen gesetzliche Vertretung, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge für das Kind B., geboren am 25.10.1990, kann keinen Bestand haben.

So war schon der Erlass einer vorläufigen Anordnung vorliegend nicht geboten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind in selbstständigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorläufige Anordnungen nur zulässig, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kinderinteressen nicht mehr genügend wahren würde (Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 19 FGG Rz. 30). Für den Erlass einer vorläufigen Anordnung genügt es deshalb nicht, dass eine solche Anordnung dem Wohl des Kindes am besten entsprechen würde. Erforderlich ist vielmehr, dass ohne eine solche Eilentscheidung des Gerichts eine nachhaltige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier erkennbar nicht vor.

So bietet allein die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 5.3.2001 beantragt hat, zum Schutz des 10 Jahre alten Kindes B. sowie zur Wahrnehmung seiner Rechte in dem gegen den Vater des Kindes gerichteten Ermittlungsverfahren (Az: … Js …) für das Kind einen Ergänzungspfleger i.S.v. § 1909 BGB zu bestellen und zwar hinsichtlich eines bestimmten Aufgabenkatalogs (so z.B. die Zustimmung zur Vernehmung des Kindes als Zeugen sowie die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 Abs. 2 StPO), keinen Grund, eine Eilentscheidung zu treffen, schon gar nicht mit den vom FamG angeordneten umfassenden Wirkungskreisen, die einer Entziehung des Sorgerechts der Eltern bzw. der alleinsorgeberechtigten Mutter (?) auf Zeit gleichzusetzen ist.

Darüber hinaus hat das FamG sowohl den Normzweck als auch den rechtlichen Geltungsbereich des § 1693 BGB verkannt.

§ 1693 BGB n.F. ermöglicht es nunmehr dem FamG – in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung dem VormG –, im Falle tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung der Eltern die im Interesse des Kindes erforderlichen Maßregeln zu treffen. Nach der Bedeutung der Norm soll der Staat in subsidiärer Verantwortung verpflichtet sein, anstelle der Eltern einzuspringen und unmittelbar für das Kind zu handeln, wenn und solange die Eltern an der Wahrnehmung ihrer Sorgeaufgaben aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert sind. Das gerichtliche Handeln nach § 1693 BGB schränkt die elterliche Sorgemacht nicht ein; es tritt vielmehr ergänzend in die durch den elterlichen Ausfall entstandene Lücke. Die Bestimmung des § 1693 BGB ist konzeptionell auf die einstweilige Interessenwahrung des Kindes in dringenden Fällen beschränkt, in denen nicht gewartet werden kann, bis die Eltern wieder sorgerechtsfähig sind oder – bei längerem Ausfall – dauerhafte Schutzmaßnahmen für das Kind getroffen werden (vgl. Coester in Staudinger/BGB, 13. Aufl., § 1693 Rz. 1 BGB m.w.N.).

Unabdingbare Voraussetzung für ein Eingreifen des FamG ist, dass beide Eltern an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert sind und dass ein dringendes, anderweitig nicht abgedecktes Regelungsbedürfnis besteht (vgl. Coester in Staudinger/BGB, 13. Aufl., § 1693 BGB Rz. 3 m.w.N.). Aus dem Normzweck der Bestimmung folgt, dass die vom Gericht zu treffenden Maßregeln nur zur einstweiligen Erledigung eines unaufschiebbaren Regelungsbedürfnisses dienen dürfen (vgl. Coester in Staudinger/BGB, 13. Aufl., § 1693 BGB Rz. 6 m.w.N.). Die Maßnahmen stehen i.Ü. im pf...

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