Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlußanfechtung
Leitsatz (amtlich)
Zum notwendigen Inhalt eines Beschlußanfechtungsantrags nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG;
Auslegung eines solchen Antrags.
Beteiligte
Rechtsanwälte Dr. Schulte-Wissermann & Partner |
Verfahrensgang
AG Sinzig (Aktenzeichen 2 UR II 18/93 WEG) |
LG Koblenz |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluß wird geändert:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner vom 29./30. März 1994 wird der Zwischenbeschluß des Amtsgerichts Sinzig (Rhein) vom 16. März 1994 aufgehoben; der Verfahrensantrag der Beteiligten zu 10) wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten sämtlicher Rechtszüge zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf15 521,69 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 10) will verschiedene Beschlüsse der Wohnungseigentümer anfechten, die in einer Versammlung am 05. Juni 1993 gefaßt wurden. Sie hat hierzu am 01. Juli 1993 beim Amtsgericht einen Schriftsatz vom 29. Juni 1993 eingereicht, in dem sie folgenden Antrag gestellt hat:
„aus Fristwahrungsgründen beantragt Unterzeichnete vorab,
Feststellung der Unwirksamkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft …, – vom 05.06.1993 –.”
Mit einem weiteren Schriftsatz vom 14. Juli 1993 hat die Beteiligte zu 10) sodann beantragt, „die in der Eigentümerversammlung am 05.06.1993 gefaßten Beschlüsse zu Ziffer 2, 3, 4, 5, 6, 10 und 12 und13 für ungültig zu erklären.”
Das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 05. Juni 1993 ist bislang noch nicht zu den Akten gereicht worden. Aus der von der Antragstellerin vorgelegten Einladung zu der fraglichen Versammlung ergibt sich jedoch, daß die Tagesordnung insgesamt 14 Punkte umfaßte (Bl. 21 d.A.).
Die Antragsgegner haben in erster Linie beanstandet, es liege kein zulässiger Anfechtungsantrag vor, und angeregt, über die Zulässigkeit vorab zu entscheiden. Das Amtsgericht hat mit Zwischenbeschluß vom 16. März 1994 entgegen dieser Auffassung die Zulässigkeit des Antrags vom 29. Juni 1993 bejaht. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen diese Entscheidung blieb ohne Erfolg. Amtsgericht und Landgericht haben die Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 10) vom 29. Juni 1993 dahin ausgelegt, daß sie sämtliche Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 05. Juni 1993 erfassen sollte.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts vom 05. Mai 1994 ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 u. 2, 22 Abs. 1 FGG). Für die Anfechtung ergeben sich keine Besonderheiten daraus, daß die Vorinstanzen entsprechend § 280 ZPO lediglich über die Zulässigkeit des Antrags der Beteiligten zu 10) entschieden haben. Denn derartige, auch in Wohnungseigentumsverfahren zulässige Zwischenentscheidungen sind in bezug auf Rechtsmittel wie Endentscheidungen anzusehen (vgl. OLG Celle NJW-RR 1989, 143).
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner führt auch in der Sache zum Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Amtsgericht und Landgericht sind zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Verfahrensantrag der Beteiligten zu 10) zulässig ist.
Grundsätzlich gilt, daß der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch in Wohnungseigentumsverfahren nicht an Sachanträge der Beteiligten gebunden ist; sofern ein Verfahrensantrag vorliegt, hat er den wirklichen Willen des Antragstellers zu erforschen und ohne Bindung an den Wortlaut der Willenserklärung nach pflichtgemäßem Ermessen eine sachgerechte Entscheidung zu finden (vgl. etwa BayObLGZ 1974, 172, 174; BayObLGZ 1975, 161, 164). Für das Verfahren der Beschlußanfechtung ergibt sich jedoch aus § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG eine abweichende Regelung. Die dort gesetzte Antragsfrist dient als Ausschlußfrist der Rechtssicherheit; sie kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn aufgrund des Antrags innerhalb der Frist feststeht, welche Beschlüsse im einzelnen angefochten werden sollen (OLG Celle OLGZ 1989, 183 ff). In einer Wohnungseigentümerversammlung werden häufig, wenn nicht gar üblicherweise, mehrere Beschlüsse gefaßt, die völlig verschiedene Gegenstände haben können. Allein durch die Bezeichnung der Eigentümerversammlung ist deshalb eine Konkretisierung des Anfechtungsgegenstandes regelmäßig nicht möglich. Es müssen vielmehr diejenigen Beschlüsse, die angefochten werden sollen, konkret bezeichnet werden (nach Inhalt oder Nummer der Tagesordnung). Nur diese Auffassung trägt dem Schutzbedürfnis der übrigen Wohnungseigentümer hinreichend Rechnung, denn diese haben ein berechtigtes Interesse daran zu wissen, welche Beschlüsse bestandskräftig geworden sind und welche nicht (OLG Celle aaO, S. 184). Die Konkretisierung des Streitgegenstandes könnte ggf. – mit entsprechendem Kostenrisiko – auch dadurch geschehen, daß sämtliche in der fraglichen Eigentümerversammlung gefaßten Beschlüss...