Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Konkretisierung anzufechtender Beschlüsse
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 15.12.1997 gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 27. November 1997 – 2 T 52/97 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Antragstellerin nicht zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren verpflichtet ist.
Die Gerichtskosten der weiteren Beschwerde trägt die Antragstellerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die nach § 45 WEG, §§ 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache – bis auf die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten – keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen, da der Anfechtungsantrag vom 20.04.1995 mangels hinreichender Bestimmtheit des Anfechtungsgegenstandes unzulässig ist.
Das Gericht ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden; vielmehr ist regelmäßig der wirkliche Wille des Antragstellers zu erforschen und ohne Bindung an den Wortlaut des Verfahrensantrags nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine sachgerechte Entscheidung zu finden (BayObLGZ 74, 172; BayObLGZ 72, 246, 250). Dieser Grundsatz gilt auch im Recht des Wohnungseigentumsverfahrens, erfährt hier freilich eine Einschränkung im Verfahren der Beschlußanfechtung gem. § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG (vgl. BayObLGZ 74, 172, 174; OLG Zweibrücken, NJW-RR 95, 397; OLG Köln vom 25.4.1996, 16 Wx 50/96 = WuM 96, 499). Die in § 23 Abs. 4 S. 2 WEG vorgesehene Ausschlußfrist für die Beschlußanfechtung dient der Rechtssicherheit und soll gewährleisten, daß nach ihrem Ablauf für die Beteiligten feststeht, welche Beschlüsse der Eigentümerversammlung angegriffen werden bzw. welche Beschlüsse bestandskräftig sind (Bärmann/Pick/Merle, WEG 7. Aufl., § 23 Rz 174). Dies erfordert eine hinreichende Konkretisierung des Anfechtungsgegenstandes. Dazu reicht nicht allein die Bezeichnung der Wohnungseigentümerversammlung. Denn dort werden üblicherweise mehrere Beschlüsse zu verschiedenen Themen gefaßt (vgl. KG, ZMR 86, 62). Deshalb müssen diejenigen Beschlüsse, die gerichtlich überprüft werden sollen, nach Inhalt oder Tagesordnungspunkt (TOP) konkret bezeichnet werden (OLG Zweibrücken, NJW-RR 95, 397; OLG Köln, WuM 96, 499). Zulässig wäre auch die Anfechtung sämtlicher Beschlüsse aus einer Eigentümerversammlung, wobei diese Vorgehensweise im Falle einer späteren Teilrücknahme mit einem Kostenrisiko verbunden ist (OLG Zweibrücken, a.a.O., S. 398; OLG Köln, a.a.O., S. 500; BayObLG, NJW-RR 95, 1166).
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer hinreichenden Bestimmtheit des Antrags vom 20.04.1995.
Nur dieser Antrag und nicht der vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingereichte Antrag vom 18.08.1995 ist erheblich, denn der zweite Antrag wahrt nicht die Frist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Der erste Antrag, den die Antragstellerin selbst formuliert hat, ist nach den Grundsätzen, die zu § 133 BGB entwickelt worden sind, auszulegen. Hierbei ist, da es sich bei dem Rechtsschutzgesuch um eine empfangsbedürftige Erklärung handelt, auf den objektiven Erklärungswert abzustellen (OLG Zweibrücken, NJW-RR 95, 397; OLG Köln, WuM 96, 499, 500).
Da der Antrag vom 20.04.1995 die angegriffenen Beschlüsse nicht im einzelnen benennt, kommt – soll er zulässig sein – lediglich eine Anfechtung sämtlicher Beschlüsse aus der Eigentümerversammlung vom 22.03.1995 in Betracht. Gegen diese Auslegung spricht indes sein Wortlaut, der in erster Linie zur Bestimmung des objektiven Erklärungswertes heranzuziehen ist. Es wird nämlich „Widerspruch gegen Beschlüsse – Eigentümerversammlung am 22.3.1995” eingelegt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch, und zwar wegen Fehlens des bestimmten Artikels oder sonstiger Hinweise auf die Gesamtheit der Beschlüsse, wie z. B. die Umschreibung mit „alle, insgesamt, sämtliche (Beschlüsse)”, wird, nicht hinreichend deutlich gemacht, daß tatsächlich sämtliche Beschlüsse der Eigentümerversammlung angefochten werden sollen. Das Schreiben, das lediglich eine Begründung ankündigt, enthält auch im weiteren Verlauf keine Klarstellung, welchen Umfang die Anfechtung haben soll. Die mit ihm verbundenen Anlagen, die Einladung und das Protokoll zur Versammlung vom 22.03.1995, geben mangels weiterer Vermerke der Antragstellerin ebensowenig Aufschluß. Das beigefügte Protokoll weist aus, daß jedenfalls der Beschluß zu TOP 3 einstimmig – auch ohne Enthaltungen – gefaßt worden ist. Danach liegt es nahe, daß sich die gerichtliche Überprüfung auf die Beschlüsse zu Punkt 1 und 2 beschränken soll, was indes im Wortlaut keinen Niederschlag findet. Für die weiteren Beteiligten bleibt damit unklar, ob die Gesamtheit oder nur einige der Beschlüsse beanstandet werden. Eine Gesamtwürdigung des Antrags einschließlich seiner Anlagen führt somit zum Ergebnis, daß bei Beachtung des objektiven Erklärungswerts eine Auslegung dahin, die Anfechtung ...