Verfahrensgang

LG Kaiserslautern (Beschluss vom 03.04.2020; Aktenzeichen 4 O 20/20)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30.04.2020 gegen den Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 03.04.2020, Az. 4 O 20/20, den Beklagtenvertretern zugestellt am 17.04.2020, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.717,38 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken aus nach Aktenlage nicht erkennbaren Gründen erst mit Verfügung des Landgerichts vom 22.06.2021 - d.h. über ein Jahr nach der Nichtabhilfeentscheidung - vorgelegt worden. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Parteien streiten um die Frage, welcher Prüf- und Regulierungszeitraum der gegnerischen Haftpflichtversicherung für die Schadensbearbeitung nach einem Verkehrsunfall zuzubilligen ist bzw. ab welchem Zeitpunkt nach Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens sie sich mit der Zahlung von Schadensersatz in Verzug befindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beträgt diese - keinesfalls starre, sondern von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängende - Frist in der Regel 4 bis 6 Wochen (Beschluss vom 19.03.2021, Az. 1 W 7/21; Beschluss vom 06.06.2014, Az. 1 W 1/14). Eine solche Prüf- und Regulierungsfrist liegt im Interesse der Gesamtheit der pflichtversicherten Kraftfahrzeughalter, die über ihre Prämien die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen haben, weshalb das durchaus anzuerkennende, allerdings schon durch die Verzinsung bereits berücksichtigte Interesse des Geschädigten an einer möglichst schnellen Schadenregulierung insoweit zurückzutreten hat.

Die Annahme einer vier- bis sechswöchigen Prüf- und Regulierungsfrist entspricht aktueller obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Hamm, Beschluss vom 28.10.2020, Az. 7 U 58/20; OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 4 W 640/20; OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2020, Az. 12 W 326/20; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.07.2019, Az. 4 W 11/19; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.12.2014, Az. 7 W 64/14; OLG Köln, Beschluss vom 31.01.2012, Az. 24 W 69/11; OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2010, Az. 3 W 15/20; jeweils Juris). Soweit erwogen wird, diese Frist angesichts des technischen Fortschritts in der Schadensbearbeitung (deutlich) zu verkürzen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 22 W 2/18), vermag sich der Senat dem in dieser Pauschalität nicht anzuschließen (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 4 W 640/20, Juris). Postlaufzeiten, die durch der elektronischen Kommunikation mit den Beteiligten ggfl. verkürzt werden, spielen insofern keine nennenswerte Rolle. Der maßgebliche Aufwand liegt in der Prüfung selbst, die indes - namentlich wegen der immer weiter ausdifferenzierenden Vorgaben zu einzelnen Schadenspositionen und Abrechnungsvarianten - immer aufwändiger wird. Dass dabei die elektronische Aktenführung bei der Versicherung das Verfahren in nennenswerter Weise beschleunigt, vermag der Senat - gerade auch angesichts eigener Erfahrungen mit der elektronischen Gerichtsakte - nicht zu erkennen.

Eingedenk des Vorstehenden war die Prüf- und Regulierungsfrist hinsichtlich des Unfalls am 14.11.2019, qualifiziert erstmals geltend gemacht beim Beklagten mit Schreiben vom 04.12.2019, entgegen der Auffassung der Vorderrichterin bei Klageerhebung am 14.01.2020 noch nicht abgelaufen. Denn es handelte sich um keinen einfachen, rein innerdeutschen Verkehrsunfall. Bei einer - wie im Streitfall einschlägigen - Auslandsberührung muss dem Versicherer ein längerer Prüf- und Regulierungszeitraum zugebilligt werden, da ausländische Versicherungen und Regulierungsbeauftragte kontaktiert und in die Entscheidung einbezogen werden müssen (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.09.2020, Az. 12 W 326/20; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.12.2016, Az. 4 W 19/16; jeweils Juris). Hinzu kommt, dass die Prüfung im Wesentlichen im Zeitraum des Jahreswechsels 2019/2020 lag; auch insoweit ist dem Versicherer anerkanntermaßen ein längerer Prüfzeitraum zuzubilligen, da an Feiertagen nicht gearbeitet und über den Jahreswechsel vermehrt Urlaub genommen wird, also auch die Sachschadensabteilungen der Versicherungen regelmäßig nicht voll besetzt sind (OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2020, Az. 4 W 640/20). Letztlich ist auch die vom Versicherer als erforderlich angesehene Einsicht in Ermittlungsakten von Einfluss auf die Dauer der Prüf- und Regulierungsfrist (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.05.2004, Az17 W 18/04; a.A. OLG München, Beschluss vom 29.07.2010, Az. 10 W 1789/10; jeweils Juris). Eine solche Einsicht dient gerade der Sachverhaltsermittlung und vor allem -bewertung. Eine gerichtliche Beurteilung der Erforderlichkeit der Akteneinsicht ex post verbietet sich; etwas anderes gilt lediglich dann, wenn aus Sicht ex ante die Akteneinsicht (namentlich aufgrund der eindeutigen Einstandspflicht des Schädigers) offensichtlich irrelava...

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