Leitsatz (amtlich)
Können Handlungen von Fußballfans auch Teil der Unterstützung der eigenen Mannschaft sein (etwa gemeinsames Springen, Klatschen, das Entzünden von Pyrotechnik oder das Aufziehen einer Blockfahne) bedarf es zur Feststellung einer mit vereinten Kräften begangenen Gewalthandlung i.S.d. § 125 Abs. 1 StGB einer genauen Darlegung und Begründung der subjektiven Zielrichtung der nach ihrem äußeren Erscheinungsbild ambivalenten Handlungen.
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 12.04.2021) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 12.04.2021 mit den diesem zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern zurückverwiesen.
Gründe
Der Strafrichter bei dem Amtsgericht Kaiserslautern hat den Angeklagten durch Urteil vom 15.08.2018 wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Vergehens nach dem Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 15,- Euro verurteilt.
Auf die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat die 3. Kleine Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern mit Urteil vom 12.04.2021 das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass es den Angeklagten wegen Landfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50,- Euro verurteilt hat. Die weitergehenden Berufungen wurden zurückgewiesen.
I.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte besuchte mit einer Vielzahl weiterer Fans des Karlsruher SC dessen Auswärtsspiel der 2. Fußball-Bundesliga am Sonntag, 27.11.2016 im Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Den Fans des KSC und somit auch dem Angeklagten waren die Blöcke 18.1 und 18.2 zugewiesen. Dies sind an sich Sitzplatztribünen, die von den Fans - was der Veranstalter duldet - aber als Stehplätze dahingehend genutzt werden, dass alle Sitzschalen nach oben geklappt sind. So hielten sich eng gedrängt über 1.000 Personen auf einer umzäunten Fläche von ca. 15 x 30 Metern auf.
Die KSC-Fans führten eine Blockfahne in ihren Vereinsfarben (blau-weiß) und einer sportpolitischen Aufschrift mit. Diese wurde ab 13.19 Uhr im Stadion über die Personengruppe von unten nach oben gezogen. Der Angeklagte stand in der 7. bis 10. Reihe etwa 1/4 bis 1/3 vom rechten Rand aus gesehen zentral in der Gruppe, die von der Fahnenfläche erfasst wurde. Als die Blockfahne von vorne auf seine Reihe zukam, beugte er sich zu der Fahne vor zog sie mit seinen beiden Händen zunächst an sich heran und dann weiter nach hinten. Er begab sich so blickdicht unter diese Fahne. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 13 bis 17 d.A. verwiesen. Nachdem die Fahne vollständig die Personengruppe nach oben abgeschirmt hatte, wurde von unbekannten Tätern durch Abbrennen von Rauchtöpfen und Zünden von Pyrotechnik eine große Rauchentwicklung mit Feuerschein erzeugt. Bei Entfernen der Fahne zog dieser Rauch weiter über den Block 18.1 und die Nachbarblöcke. Dadurch wurden die beiden KSC-Fans A und B durch Rauchgas beeinträchtigt. B musste sich noch während der ersten Halbzeit des Spiels wegen Atemnot und Übelkeit nach Rauchintoxikation in ärztliche Behandlung begeben. Sie wurde von Sanitätern ins Westpfalz Klinikum Kaiserslautern zur weiteren Untersuchung verbracht. Es wurde Sauerstoff verabreicht, aber keine weiteren Akutmaßnahmen für ärztlich notwendig erachtet. Die beiden Fans haben keinen Strafantrag gestellt. Durch Pyrotechnik, aber auch andere Einwirkungen (Tritte und Springen) der KSC-Fangruppe, wurden Klappsitze der Tribüne Block 18.1 im Fritz-Walter-Stadion beschädigt (Sitzschalen versengt und abgebrochen), wofür der Verein 1. FCK Schadenersatz von 2.110,00 Euro verlangte und Strafantrag gestellt hat. Den geforderten Schadensersatz hat die Fangemeinschaft des KSC dem FCK vollständig ersetzt.
Der Angeklagte war 2013 durch das Amtsgericht Karlsruhe wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil eines Fans der gegnerischen Mannschaft im Rahmen eines Heimspiels des KSC zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden.
2. Das Gericht hat das Verhalten des Angeklagten als Landfriedensbruch gem. § 125 Abs. 1 StGB gewertet. Nach der Wertung des Gerichts unterstützte der Angeklagte mit seinem Verhalten die beabsichtigte (die öffentliche Sicherheit gefährdende) Zündung von Rauchtöpfen und Pyrotechnik als Gewalttätigkeit seiner Gruppe, deren Teil er geworden sei, gegen Menschen und Sachen i.S.d. Norm. Derartiges Verhalten sei ihm als langjährigem Fußballfan (vgl. dazu die Vorstrafe) bekannt gewesen. Er sei von seinem Standort in der 7. bis 10. Reihe auch stets über das Geschehen zuvor informiert gewesen. Es könne ihm nicht verborgen geblieben sein, dass Pyrotechnik und Rauchgastöpfe eingeschmuggelt worden seien und mit dem Aufbau der Fahne...