Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung des § 4 Abs. 3 LJVollzG im Lichte des Art 4 GG bei der Weigerung, einem Strafgefangenen eine Gebetskerze zum Gebrauch innerhalb der Zelle dauerhaft zu überlassen.
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 27.08.2020; Aktenzeichen 2 StVK 284/20 Vollz) |
Tenor
- Das Verfahren wird gemäß § 33 a StPO von Amts wegen in die Lage vor dem Senatsbeschluss vom 27. August 2020, der damit gegenstandslos wird, zurückversetzt.
- Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. Mai 2020 aufgehoben und die Sache an die Kleine Strafvollstreckungskammer zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
- Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die diesbezüglichen notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt die Landeskasse (§§ 121 Abs. 4 StVollzG, 467 Abs. 1 StPO).
- Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 500,-- € (§§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 65, 60, 52 Abs. 1 GKG).
Gründe
I.
Der Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer ist derzeit in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz) inhaftiert, wo er seit dem 29. August 2018 mehrere Haftstrafen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl und versuchtem Wohnungseinbruchsdiebstahl verbüßt.
Am 10. Februar 2020 beantragte er die Gestattung der Überlassung eine Gebetskerze zur Nutzung im eigenen Haftraum, die er über den Anstaltspfarrer beziehen wollte. Die Leitung der Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz) lehnte dies unter Verweis auf die Dienstanweisung des Ministeriums der Justiz vom 29. November 2018, die die Überlassung von Gebetskerzen untersagt, mit Entscheidung vom 10. Februar 2020 ab. Nach dieser Dienstanweisung wird mit Blick auf eine bestehende Brandgefahr und in Reaktion auf mehrere Brandereignisse in rheinland-pfälzischen Vollzugseinrichtungen die Überlassung von Kerzen in Hafträumen der Gefangenen untersagt.
Hiergegen wandte sich der Antragsteller am 20. April 2020 mit seinem Antrag nach § 109 StVollzG an die Strafvollstreckungskammer des Landgericht Frankenthal (Pfalz) mit der Begründung, er benötige die Gebetskerze zum persönlichen Gebet im Haftraum. Er sei es gewohnt, sein Gebet mit dem Anzünden einer Kerze zu verbinden. Die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) wies den Antrag mit Beschluss vom 29. Mai 2020 zurück. Zum einen habe der Antragsteller erst mit Schreiben vom 20. April 2020 gerichtliche Entscheidung gegen die ablehnende Entscheidung der Justizvollzugsanstalt vom 10. Februar 2020 eingelegt und damit die 14-tägige Antragsfrist nicht eingehalten, was den Antrag unzulässig mache. Zum anderen sei der Antrag auch unbegründet. Zwar könne sich der Antragsteller auf das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 2 GG berufen. Dieses Grundrecht finde seine Grenze aber in den Grundrechten Dritter, nämlich der körperlichen Unversehrtheit der anderen Gefangenen und des Vollzugspersonals, der die angeführten Brandschutzvorschriften dienten. Letztere überwögen bei einer Abwägung angesichts der hohen abstrakten Gefahr, die von einer Dauerbrennstelle in einem notwendig verschlossenen Haftraum ausgehe. Insbesondere könnten sich die Gefangenen einem evtl. Brand nur schlecht entziehen. Sie verfügten auch nur über begrenzte Löschmöglichkeiten. Ein Zugang durch die Feuerwehr in eine Justizvollzugsanstalt sei aufgrund der Umstände nur verzögert möglich. Angesichts der zu erwartenden Intensität eines Brandes unter den Bedingungen einer Justizvollzugsanstalt, seien auch in der Abwägung mit der Religionsfreiheit des Beschwerdeführers an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts geringere Anforderungen zu stellen. Da mit LED-Kerzen eine von der Leitung der Justizvollzugsanstalt angebotene Alternative für das Gebet zur Verfügung stehe, sei die Untersagung von Wachskerzen auch verhältnismäßig. Eine dauerhafte Fremdüberwachung der Kerze könne nicht gewährleistet werden.
Dass die Justizvollzugsanstalt zudem vortrage, der Antragsteller, halte seinen Haftraum nicht in Ordnung und führe hygienisch bedenkliche Zustände herbei, sei angesichts der ausgeführten generellen Abwägung nicht von entscheidender Bedeutung, könne aber für den nicht zu entscheidenden Fall der zeitweisen, kontrollierten Überlassung einer Gebetskerze, z.B. zu Feiertagen, Bedeutung erlangen.
Das Ministerium der Justiz hat im Rechtsbeschwerdeverfahren Stellung genommen und beantragt die Rechtsbeschwerde unter Verweis auf die Entscheidung des Landgerichts Koblenz, Beschluss vom 17. April 2019 - 7 c StVK 150/19, nicht veröffentlicht, als unzulässig zurückzuweisen.
Die gegen die Entscheidung des Landgerichts geführte Rechtsbeschwerde hat (vorläufigen) Erfolg und führt zu Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Sie ist zunächst nicht schon wegen eines durch den Antragsteller unterzeichneten Rechtsmittelverzichts unzulässig. Der Antragsteller unterzeichnete zwar am 02. Juni 2020 ein Dok...