Leitsatz (amtlich)

Die bei der Ausführung eines Strafgefangenen erforderlichen Sicherungsmaßnahmen hängen von einer vom Anstaltsleiter im konkreten Einzelfall zu treffenden Ermessensentscheidung ab. Die Ausführung eines Strafgefangenen zu einem Facharzt ist daher rechtswidrig, soweit allein aufgrund einer generellen Handlungsanweisung oder einer generellen Handhabung der Strafgefangene hierbei Anstaltskleidung tragen muss, durch uniformierte Vollzugsbeamte begleitet wird und diese bei der ärztlichen Untersuchung, dem Arztgespräch und der Behandlung im Behandlungszimmer anwesend sind.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 24.04.2020; Aktenzeichen II StVK 981/19)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer II des Landgerichts Saarbrücken vom 24. April 2020 im Umfang der Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung sowie im Kostenausspruch a u f g e h o b e n und in der Hauptsache insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird f e s t g e s t e l l t, dass die am 16.10.2017 durch die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken erfolgte Ausführung des Antragstellers zum Facharzt für Urologie rechtswidrig war, soweit der Antragsteller Anstaltskleidung tragen musste, er von uniformierten Vollzugsbeamten begleitet wurde und die begleitenden Vollzugsbeamten im Behandlungszimmer der ärztlichen Untersuchung, dem Arztgespräch und der Behandlung beiwohnten.

2. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer II des Landgerichts Saarbrücken vom 24. April 2020 wird als unbegründet

v e r w o r f e n.

3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen der Rechtsbeschwerdeverfahren Vollz (Ws) 18/18 und Vollz (Ws) 5/19 vor dem Saarländischen Oberlandesgericht sowie des vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Antragsteller darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

4. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 500,-- EURO.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller verbüßt nach vorangegangener Untersuchungshaft seit dem 17. März 2016 die gegen ihn wegen Untreue in 18 Fällen mit Urteil des Landgerichts Stuttgart von diesem Tag verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 4 Monaten. Diese Strafe wurde seit dem 12. April 2016 bis zu der am 27.06.2018 erfolgten Verlegung des Antragstellers in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Ottweiler, Teilanstalt Saarlouis, im geschlossenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken vollstreckt.

Am 16.10.2017 wurde der Antragsteller auf Veranlassung der Anstaltsärztin zu dem Facharzt für Urologie ... in ... ausgeführt. Hierbei musste er Anstaltskleidung tragen und wurde durch zwei uniformierte Vollzugsbeamte begleitet, die auch bei der fachärztlichen Untersuchung (rektal durchgeführte Tastuntersuchung der Prostata), der Diagnosebesprechung und beim Arztgespräch ohne jedwede optische und/oder akustische Abtrennungsmaßnahmen durchgehend im Behandlungszimmer anwesend waren. Diese konkrete Art und Weise der Ausführung beruhte nicht auf einer einzelfallbezogenen Ermessensentscheidung der Anstalts- oder Vollzugsabteilungsleitung. Vielmehr entsprach sie, soweit es die Ausführung in Anstaltskleidung anbelangt, einer generellen Handlungsanweisung für alle Strafgefangenen ohne Lockerungsgewährungen gemäß §§ 38, 39 SLStVollzG, die der - von dem Antragsteller bestrittenen - Behauptung des Antragsgegners zufolge vorsieht, dass Strafgefangene, bei deren Ausführung keine Fesselung angeordnet ist, auf Antrag in Privatkleidung ausgeführt werden können. Einen solchen Antrag hatte der Antragsteller, bei dem eine Fesselung bei Ausführungen nicht angeordnet war, nicht gestellt. Soweit es die Ausführung durch uniformierte Vollzugsbeamte und deren Anwesenheit bei der ärztlichen Untersuchung, der Diagnosebesprechung sowie beim Arztgespräch betrifft, entsprach dies der generellen Handhabung in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken.

Mit an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Saarbrücken gerichtetem Schreiben vom 5. Juni 2018 hat der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Ausführung zum Facharzt am 16.10.2017 in der konkreten Ausführung rechtswidrig war, soweit

1. der Antragsteller verpflichtet war, Anstaltskleidung zu tragen,

2. er von uniformierten Vollzugsbeamten begleitet wurde und

3. die begleitenden Vollzugsbeamten im Behandlungszimmer der ärztlichen Untersuchung, dem Arztgespräch und der Behandlung beiwohnten.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2018 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen. Diesen Beschluss hat der Senat auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 10. Januar 2019 (Vollz (Ws) 18/18, Bl. 41 ff. d. A.) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen. Mit Beschluss vom 25. März 2019 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erneut zurückgewiesen, da er jedenfalls unbegründet...

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