Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Scheidungsverfahrens im Fall eines vom Ehegatten in einem Mitgliedsstaat bereits eingeleiteten Verfahrens der Trennung von Tisch und Bett
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anwendungsbereich des die internationale Zuständigkeit begründenden § 606a ZPO wird durch die vorrangigen Regelungen der EheVO II (Brüssel IIa) verdrängt.
2. Ungeachtet des Streitgegenstandes ist ein in der Bundesrepublik Deutschland angestrengtes Scheidungsverfahren auszusetzen, wenn der Ehepartner seinerseits zuvor in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften (hier: Polen) ein Verfahren auf Trennung von Tisch und Bett eingeleitet hat.
3. Führt ein beabsichtigtes Scheidungsverfahren zwingend zur Aussetzung, ist, solange der Aussetzungsgrund fortbesteht, Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung zu verweigern.
Normenkette
ZPO § 3 Nr. 1, §§ 114, 263, 606a; EheVO II (Brüssel IIa) Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1; FVBG-Polen Art. 56 § 1, Art. 61/1 § 1
Verfahrensgang
AG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 24.01.2006; Aktenzeichen 2 F 487/05) |
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Gerichtsgebühr i.H.v. 50 EUR zu tragen; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsteller, Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, erstrebt mit am 30.12.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die Scheidung der am 3.8.2001 mit der Antragsgegnerin geschlossenen Ehe. Die Antragsgegnerin ist polnische Staatsangehörige. Sie lebt mit den beiden aus der Ehe hervorgegangenen Söhnen seit Weihnachten 2002 in Polen. Dort hat sie vor dem Bezirksgericht in Kadovik am 13.7.2005 u.a. Klage auf Trennung von Tisch und Bett erhoben. Diese ist dem Antragsteller am 17.12.2005 zugestellt worden.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das FamG Prozesskostenhilfe verweigert. Seiner Ansicht nach ist schon die internationale Zuständigkeit nicht gegeben. Außerdem liege bereits anderweitige Rechtshängigkeit i.S.d. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vor.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller weiterhin das Ziel, ihm zur Durchführung des Scheidungsverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO gegen die Versagung der nachgesuchten Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Scheidungsverfahrens statthafte sofortige Beschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insb. form- und fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 2 S. 3, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Die erstinstanzliche Entscheidung erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung derzeit mutwillig i.S.d. § 114 ZPO ist.
1. Mit Recht macht die Beschwerde allerdings geltend, dass die internationale Zuständigkeit des AG nicht unter Hinweis auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 606a Abs. 1 ZPO abgelehnt werden kann. Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird nämlich durch die vorrangig anwendbaren Regelungen der VO (EG) Nr. 2201/2003 (im Folgendem: EheVO II - Brüssel IIa) verdrängt. Insoweit haben Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften Vorrang vor entgegenstehenden innerstaatlichen Regelungen zum Kollisionsrecht (Weinreich/Klein/Rausch, FamR, 2. Aufl., § 606a ZPO Rz. 1). Die EheVO II (Brüssel IIa) ist am 23.12.2003 im Amtsblatt der EG/EU verkündet worden, somit in der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedsstaat unmittelbar geltendes Recht und nach Art. 72 S. 2 der Verordnung ab dem 1.3.2005 anwendbar (Rausch, FuR 2004, 154 [155]). Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit ist somit gem. Art. 3 Abs. 1a Spiegelstrich 2 auch der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland, wenn beide Ehegatten zuletzt ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten und der Antragsteller dort zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch hat (Rausch, FuR 2004, 154 [158], unter Ziff. 3). Das ist hier der Fall. Nach dem Vorbringen des Antragstellers haben die Parteien nach ihrer Heirat zunächst gemeinsam in der Bundesrepublik Deutschland gelebt, wo er sich nach der Trennung weiterhin aufhält.
2. Im Ergebnis zu Recht hat das FamG jedoch Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf das vor dem Bezirksgericht in Kadovik (Polen) von der Antragsgegnerin eingeleitete Verfahren auf Trennung abgelehnt. Anders als das deutsche Recht sieht das polnische Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch vom 25.2.1964 neben der Scheidung (Art. 56 § 1 FVGB) bei vollständiger Zerrüttung eine Trennung von Tisch und Bett vor (Art. 61/§ 1 FVGB). Im Unterschied zur Scheidung lässt die Trennung von Tisch und Bett die Ehe als solche fortbestehen (Bergmann/Ferid/Gralla, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Polen, S. 30). Für die zu treffende Entscheidung kann indes dahinstehen, ob die Streitgegenstände identisch sind, also wegen anderweitiger Rechtshängigkeit ein Prozesshindernis vorläge (vgl. etwa BGH v. 29.4.1992 - XII ZR 4...