Leitsatz (amtlich)
Eine Verständigung der Eltern über das Sorgerecht löst auch dann keine Vergleichsgebühr aus, wenn durch gerichtlich protokollierte elterliche Vereinbarung die Fortgeltung der gemeinsamen elterlichen Sorge unter (befristeter) Bevollmächtigung der Mutter zur alleinigen Regelung der Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung bestimmt wird, hier mit Ausnahme von Vermögens- und Gesundheitsfürsorge sowie schulischer Ausbildung des Kindes (Fortführung der ständigen Senatsrechtsprechung, vgl. KostRsp. § 23 BRAGO Nr. 7; FamRZ 2001, 506 und 1393).
Normenkette
BRAGO § 23; BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Kandel (Aktenzeichen F 28/01) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss geändert. Die Erinnerung der Rechtsanwältin … vom 22.1.2002 gegen die Festsetzung ihrer Vergütung durch Beschluss des AG Kandel vom 15.1.2002 wird insgesamt zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Antragstellerin hat im Ehescheidungs-Verbundverfahren zunächst die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das ehegemeinschaftliche Kind F., geb. am 16.7.1994, beantragt. Der Antragsgegner ist diesem Begehren entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2001 haben die Parteien folgende „elterliche Vereinbarung” geschlossen:
„Beide Elternteile üben nach Trennung und Scheidung die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam aus.
Der Antragsgegner erteilt der Antragstellerin Vollmacht zur Regelung der Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Diese Vollmacht erstreckt sich nicht auf folgende Belange des Kindes:
– Vermögenssorge
– Gesundheitsfürsorge
– schulische Ausbildung des Kindes
Diese Vollmacht ist befristet bis zum 15.7.2003. Ab dem 16.7.2003 wird die elterliche Sorge nach Maßgabe des § 1687 BGB ohne jegliche Einschränkung durch vorstehende Vollmacht gemeinsam ausgeübt.”
Die Vereinbarung wurde anschließend familiengerichtlich genehmigt.
Die der Antragstellerin beigeordnete Rechtsanwältin hat u.a. die Festsetzung einer Vergleichsgebühr aufgrund der Vereinbarung begehrt; dem wurde durch Festsetzungsbeschluss der Kostenbeamtin vom 15.1.2002 nicht entsprochen, weil das Sorgerecht nicht der Parteidisposition unterliege. Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin wurde durch den angefochtenen Beschluss des Familienrichters die Festsetzung der Vergleichsgebühr dem Grunde nach angeordnet. Die beteiligten Eltern hätten hier eine Vereinbarung getroffen, die eine weiter gehende Entscheidung über den Sorgerechtsantrag entbehrlich gemacht habe; die erteilte familiengerichtliche Genehmigung habe keine konstitutive Wirkung gehabt, sondern sei lediglich als Appell an die elterliche Verantwortung zu verstehen gewesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Landeskasse hat der Familienrichter nicht abgeholfen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt, insb. auf die angeführten gerichtlichen Entscheidungen Bezug genommen.
Das nach § 128 Abs. 3 und 4 BRAGO statthafte und zulässige Rechtsmittel der Landeskasse, über die der Senat gem. §§ 128 Abs. 4, 10 Abs. 3 S. 4 BRAGO, § 568 S. 2 ZPO in seiner Gesamtheit zu entscheiden hat, führt in der Sache zum Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung der Kostenbeamtin, wonach eine Vergleichsgebühr gem. § 23 BRAGO hier nicht angefallen ist.
Ein Vergleich i.S.v. § 23 Abs. 1 BRAGO, § 779 BGB liegt vor, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Vertrag im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (vgl. nur Hartmann, KostenG, 31. Aufl., § 23 BRAGO Rz. 5). Hier erscheint es bereits zweifelhaft, ob ein gegenseitiges Nachgeben in diesem Sinne vorliegt. Die protokollierte Vereinbarung läuft der Sache nach auf den vom Antragsgegner begehrten Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge hinaus, so dass dieser sich in vollem Umfang durchgesetzt hätte. Die Bevollmächtigung der Antragstellerin zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung (§ 1687 BGB) wurde dadurch ausgehöhlt, dass mit der Vermögens- und Gesundheitsfürsorge sowie der schulischen Ausbildung des Kindes alle Bereiche, in denen solche Entscheidungen erfahrungsgemäß zu erwarten waren, sogleich wieder ausgenommen wurden. Es sind zwar Meinungsverschiedenheiten der Eltern denkbar, die sich nicht auf die hier festgelegten Ausnahmen beziehen, sondern etwa ein Umgangsverbot, Wohnsitzverlegung und Auswanderung, die religiöse Erziehung oder besonders aufwendige Auslandsreisen und Ferienaufenthalte betreffen (Beispiele nach Palandt, BGB, 61. Aufl., § 1687 Rz. 7). Allerdings ist nicht ersichtlich, dass derartige Entscheidungen hier tatsächlich zu erwarten waren und von den Parteien bei der geschlossenen Vereinbarung berücksichtigt wurden; es erscheint zudem zweifelhaft, ob der beteiligte Vater etwa auch einer alleinigen Entscheidung der Mutter über eine gemeinsame Auswanderung mit dem Kind zustimmen wollte.
Ein Vergleich scheidet aber jedenfalls deshalb aus, weil es den beteiligten Eltern an der Verfügungsbefug...