Leitsatz (amtlich)
Einsicht in die notariellen Nebenakten kann allenfalls gewährt werden, wenn alle Beteiligten den Notar von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbinden. Der Vorwurf einer strafbaren unerlaubten Handlung eines Beteiligten macht dessen Befreiungserklärung nicht entbehrlich.
Fehlt es an der Entbindungserklärung aller Beteiligten, kommt auch ein auf die Schriftstücke eines zustimmenden Beteiligten „beschränktes” Einsichtsrecht nicht in Betracht.
Normenkette
BeurkG § 51 Abs. 3, § 54; BNotO § 18
Verfahrensgang
LG Zweibrücken (Aktenzeichen 4 T 53/02) |
Tenor
1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 1) haben die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.
3. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) haben mit der im Rubrum näher bezeichneten notariellen Urkunde Wohnungseigentum aus einer damals noch zu errichtenden Wohnanlage gekauft. Sie machen geltend, die Verkäuferin habe bei Abschluss des Kaufvertrages unredlich und betrügerisch gehandelt. Dies ist Gegenstand eines gegen den alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der Verkäuferin laufenden Strafverfahrens. In einem Zivilprozess nehmen die Beteiligten zu 1) die Beteiligte zu 2) als finanzierende Bank wegen Aufklärungs- und Beratungsfehlern bei der Anbahnung der Darlehensverträge in Anspruch. In diesem Zusammenhang haben sie beim Notar, der Rechtsnachfolger des beurkundenden Notars ist, beantragt, ihnen Einsicht in die Nebenakten zu der notariellen Kaufvertragsurkunde zu gewähren. Dies hat der Notar mit Bescheid vom 10.8.2001 abgelehnt, da trotz mehrfacher Aufforderung nicht sämtliche am Kaufvertrag weiter Beteiligten zugestimmt hätten. Die Beschwerde gegen die vorbenannte Ablehnung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) ihr Ziel weiter. Zur Begründung machen sie im Wesentlichen geltend, mit Blick auf das betrügerische Verhalten der Verkäuferin fehle für sie ein schützenswertes Interesse; der Notar könne sich insoweit nicht auf seine Verschwiegenheitsverpflichtung berufen. Da jedenfalls die Beteiligte zu 2) bezüglich ihrer eigenen Schriftstücke das Einverständnis erteilt habe, werde hilfsweise insoweit Einsicht beantragt.
II. 1. Die weitere Beschwerde ist statthaft und auch i.Ü. zulässig (§§ 54 Abs. 1 und 2, 51 Abs. 3 BeurkG, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG). Geht es – wie hier – nicht um die Beurkundungs- und Betreuungstätigkeit des Notars, sondern um das Verfahren im Anschluss an die Beurkundung, greift in Abgrenzung zu § 15 BNotO die besondere Regelung des § 54 BeurkG ein (vgl. zur Abgrenzung Huhn/von Schuckmann, 3. Aufl., § 54 BeurkG Rz. 3 f.; Mecke/Lerch, 2. Aufl., § 54 BeurkG Rz. 1 f.; Eylmann/Vaasen/Limmer, § 54 BeurkG Rz. 1 f.). Die Beteiligten zu 1) leiten hier nach Abschluss des Beurkundungsverfahrens ihren Anspruch aus § 51 Abs. 3 BeurkG her. Gegen die Ablehnung ist daher gem. § 54 Abs. 1 BeurkG die unbefristete Beschwerde eröffnet. Der die Beschwerde zurückweisende Beschluss des LG kann mit der weiteren Beschwerde nach §§ 27 ff. FGG angefochten werden (vgl. Huhn/von Schuckmann, 3. Aufl., § 54 BeurkG Rz. 9; Mecke/Lerch, 2. Aufl., § 54 BeurkG Rz. 4).
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Denn die Entscheidung des LG beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 54 Abs. 2 S. 1 BeurkG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
a) Allerdings nimmt der Notar im Beschwerdeverfahren nach § 54 Abs. 1 BeurkG – ebenso wie in dem Verfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO – die Stelle einer ersten Instanz nach Maßgabe der Vorschriften des FGG und nicht die eines Antrags- oder Beschwerdegegners bzw. eines Verfahrensbeteiligten ein (vgl. zu § 15 BNotO OLG Zweibrücken v. 21.12.2001 – 3 W 301/01, OLGReport Zweibrücken 2002, 261 [262] sowie FGPrax 2002, 85; Huhn/von Schuckmann, 3. Aufl., § 54 BeurkG Rz. 12; Eylmann/Vaasen/Limmer, § 54 BeurkG Rz. 3 jeweils m.w.N.). Dementsprechend hat der Senat das Rubrum der angefochtenen Entscheidung neu gefasst.
b) In der Sache hat das LG ohne Rechtsfehler einen Anspruch der Beteiligten zu 1) aus § 51 Abs. 3 BeurkG verneint. Dabei kann offen bleiben, ob sich aus der vorgenannten Vorschrift, die in ihrem Anwendungsbereich § 34 FGG verdrängt, überhaupt ein Recht zur Einsicht in die Nebenakten des Notars herleiten lässt (verneinend etwa Huhn/von Schuckmann, 3. Aufl., § 51 BeurkG Rz. 30; Mecke/Lerch, 2. Aufl., § 51 BeurkG Rz. 12; Keidel/Winkler, 14. Aufl., § 51 BeurkG Rz. 37; Eylmann/Vaasen, BeurkG, § 51 Rz. 16; offengelassen BGH DNotZ 1990, 392 f.). Jedenfalls kann Einsicht auch in die Nebenakten nur gewährt werden, wenn alle Beteiligten den Notar von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreien, § 18 Abs. 2 BNotO (vgl. BGH DNotZ 1990, 392 [393] mit Anm. von Winkler in Keidel/Winkler, 14. Aufl., § 51 BeurkG Rz. 39; Arndt/Lerch/Sandkühler, 4. Aufl., § 18 BNotO Rz. 48). Daran fehlt es hier. Zwar hat die Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 13....