Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Vorlage einer notariellen Bescheinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG
Leitsatz (amtlich)
Bei der vollständigen Neufassung eines Gesellschaftsvertrages handelt es sich um eine Vertragsänderung im Sinne des § 54 Abs. 1 GmbHG, so dass § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG grundsätzlich Anwendung findet, die Vorlage einer notariellen Bescheinigung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. GmbHG ist jedoch entbehrlich, wenn die Gesellschafter der GmbH die neue Satzung in dem dem Handelsregister vorzulegenden Wortlaut beschließen und ein Notar die Neufassung der Satzung als Gesellschafterbeschluss gemäß §§ 8 ff. BeurkG wirksam beurkundet hat.
Normenkette
GmbHG § 54 Abs. 1 S. 2, § 2. Hs; BeurkG § 8 ff.
Verfahrensgang
LG Landau (Pfalz) (Aktenzeichen HK T 1/01) |
Tenor
Die Beschlüsse des AG Landau in der Pfalz vom 29.6.2001 und des LG Landau in der Pfalz vom 18.8.2001 werden aufgehoben.
Das AG Landau in der Pfalz wird angewiesen, den Antrag vom 26.4.2001, ergänzt durch die Bescheinigung vom 5.6.2001 und die auszugsweise Ausfertigung vom 6.7.2001, zu vollziehen.
Gründe
I. Die weitere Beschwerde ist gem. §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1, S. 1, 3 FGG zulässig. Die Befugnis des Notars zur Antragstellung und damit auch zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Ablehnung dieses Antrages ergibt sich aus § 129 FGG.
II. Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG). Denn die Vorschrift des § 54 Abs. 1 S. 2 2. Hs. GmbHG findet hier keine Anwendung. Zwar handelt es sich auch bei einer völligen Neufassung des Gesellschaftsvertrages um eine Vertragsänderung i.S.d. § 54 Abs. 1 GmbHG, so dass § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG grundsätzlich Anwendung findet (OLG Zweibrücken v. 25.10.1983 – 3 W 120/83, Rpfleger 1984, 104; OLG Köln v. 17.7.1992 – 2 Wx 32/92, OLGR Köln 1993, 88 = GmbHR 1993, 164 = NJW-RR 1993, 223 [224]; LG Bonn v. 7.9.1993 – 11 T 8/93, GmbHR 1994, 558). Nach dieser Vorschrift ist der Anmeldung der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages beizufügen, der mit der Bescheinigung eines Notars versehen sein muss, dass die geänderten Bestimmungen mit dem Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingetragenen vollständigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrages übereinstimmen. Sinn dieser Bestimmung ist es, den Rechtsverkehr zu erleichtern. Die für das Gründungsstadium der GmbH bewirkte Klarheit und Verlässlichkeit des Handelsregisters soll dadurch auch bei Satzungsänderungen erhalten bleiben. Der neueste Stand des Gesellschaftsvertrages soll jederzeit aus einer einzigen, beim Handelsregister befindlichen Urkunde entnommen werden können.
Dieses Klarstellungsbedürfnis entfällt jedoch dort, wo sich aus dem zum Handelsregister eingereichten neuen Satzungstext und der Verlautbarung des Handelsregisters unmittelbar und ohne weiteres erkennbar ergibt, dass der jetzt maßgebliche Gesellschaftsvertrag in vollem Umfang neu beschlossen wurde. Bedeutungslos ist die notarielle Bescheinigung demnach dann, wenn der oder die Gesellschafter die neue Satzung bereits in dem dem Handelsregister vorzulegenden Wortlaut beschließen und ein Notar die Neufassung der Satzung als Gesellschafterbeschluss gem. §§ 8 ff. BeurkG wirksam beurkundet hat. In diesen Fällen wird die Klarstellungsfunktion der notariellen Bescheinigung durch die Verlautbarung des Handelsregisters über die Änderung der Satzung durch Gesellschafterbeschluss und den Wortlaut der bei den Registerakten befindlichen neuen Satzung erfüllt. Durch die notarielle Beurkundung der Neufassung in der Form des Gesellschafterbeschlusses wird auch der Bekräftigungsaufgabe der notariellen Bescheinigung Genüge getan. Hat demnach die notarielle Bescheinigung bei unmittelbarer Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses in Satzungsform keine selbstständige Bedeutung, so kann das Registergericht sein Tätigwerden auch nicht von der Beachtung einer bedeutungslos gewordenen Formalie abhängig machen (vgl. OLG Zweibrücken v. 25.10.1983 – 3 W 120/83, Rpfleger 1984, 104; OLG Celle v. 16.3.1982 – 1 W 4/82, OLGZ 1982, 317 [318]; BayObLG Rpfleger 1978, 143 ohne nähere Begründung; LG Bonn v. 7.9.1993 – 11 T 8/93, GmbHR 1994, 558; Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl., § 54 Rz. 5; Gustavus, DNotZ 1971, 229 [230]; Groß, Rpfleger 1972, 241 [243]; Röll, DNotZ 1973, 483 [485]; a.A. OLG Schleswig DNotZ 1973, 482; Scholz/Priester, GmbHG, 8. Aufl., § 54 Rz. 19).
So liegt der Fall hier. Die Vorlage einer notariellen Bescheinigung i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 2 2. Hs. GmbHG ist im vorliegenden Fall – wie bereits ausgeführt – entbehrlich. Denn ihr könnte hier keine selbständige Bedeutung zukommen. Die Gesellschafter haben in der am 25.4.2001 durchgeführten Gesellschafterversammlung nämlich die Satzung in dem Wortlaut beschlossen, wie sie dem Handelsregister vorzulegen war. Diesen Beschluss hat der Notar auch gem. §§ 8 ff. BeurkG beurkundet. Die Auf...