Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahme von Volljährigen als Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Vormundschaftsgericht muss verhindern, dass das Rechtsinstitut der Volljährigen-Adoption dazu missbraucht wird, Ausländern unter Umgehung ausländerrechtlicher Bestimmungen den Verbleib in Deutschland zu ermöglichen.

2. Soll nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens ein Ausländer adoptiert werden, hat das Vormundschaftsgericht besonders sorgfältig die Gründe für die Adoption zu prüfen. Zur Aufklärung der Motivationslage muss das Vormundschaftsgericht dabei alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 12. Oktober 1988 – 3 W 130/88 – FamRZ 1989, 537).

3. Da die inneren Beziehungen zwischen Volljährigen rechtlich kaum fassbar sind, muss ein (bestehendes oder in der Entwicklung befindliches) Eltern-Kind-Verhältnis sich in einer vom Gericht nachprüfbaren Weise in äußerem Verhalten bewiesen haben bzw. die objektive Erwartung, ein solches Verhältnis werde sich (weiter) entwickeln, sich auf vergangene und gegenwärtige Umstände stützen können.

4. Lebt ein natürlicher Elternteil (hier: die Mutter) mit den anderen Beteiligten im gleichen Haushalt, erfordert die Annahme möglicher Loyalitätskonflikte auch dessen persönliche Anhörung durch das Vormundschaftsgericht.

 

Normenkette

BGB § 1767 Abs. 1; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Beschluss vom 08.12.1998; Aktenzeichen 8 T 261/98)

AG Mainz (Aktenzeichen 40 XVI 5/98)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Schwestern und die Nichten des Beteiligten zu 3). Die Beteiligte zu 4) ist dessen Ehefrau. Eigene Kinder hat das Ehepaar nicht. Der Vater der Beteiligten zu 1) und 2), der Bruder des Beteiligten zu 3), ist 1980 in einem kommunistischen Umerziehungslager in … verstorben.

Zusammen mit ihrer Mutter leben die Beteiligten zu 1) und 2) seit November 1992 im Haushalt der anderen Beteiligten. Beide werden vom Beteiligten zu 3) finanziell unterstützt und in schulischer und beruflicher Hinsicht gefördert. Nachdem sie den Hauptschulabschluss in Deutschland erreicht haben, besuchen sie derzeit eine Handelsschule in Mainz. Ihre Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte sind rechtskräftig abgelehnt.

Aufgrund notariell beurkundeter Anträge vom 20. Oktober 1997 haben die Beteiligten beantragt, die Annahme der Beteiligten zu 1) und 2) als Kinder der Beteiligten zu 3) und 4) auszusprechen.

Durch Beschluss vom 4. Juni 1998 (Bl. 35/36 d.A.) hat das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Mainz die Anträge zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht nach Anhörung der Beteiligten zu 1)–4) durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, weil ein vorrangig familienbezogener Annahmegrund nicht zweifelsfrei feststehe. Die Kammer hat vor allem am Vorliegen von über die Verwandtschaft hinausgehenden sozialen Bindungen gezweifelt, insbesondere weil der Beteiligte zu 3) noch weitere Verwandte bei sich aufgenommen habe und die leibliche Mutter der Beteiligten zu 1) und 2) ebenfalls im Haushalt lebe. Außerdem hat die Kammer ihre Zweifel mit den sonstigen erfolglosen Bemühungen um ein Bleiberecht in Deutschland begründet (wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 64–73 d.A. verwiesen).

Hiergegen haben die Beteiligten zu 1)–4) weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie die Tatsachenwürdigung durch das Landgericht beanstanden, insbesondere im Hinblick auf die ausländerrechtliche Problematik. Außerdem rügen sie, dass die Kammer ihre Zweifel an einer Eltern-Kind-Beziehung auf die Anwesenheit der leiblichen Mutter gestützt habe, ohne diese persönlich zu hören (wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf Bl. 78–80 d.A. Bezug genommen).

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG) hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes und kann deswegen keinen Bestand haben.

Die Ausführungen, mit denen die Beschwerdekammer das zweifelsfreie Vorliegen einer sittlichen Rechtfertigung im Sinne des § 1767 Abs. 1 BGB verneint hat, sind – da auf unzureichender Tatsachenermittlung beruhend – nicht frei von Rechtsfehlern.

Nach § 561 ZPO, der gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG entsprechend anwendbar ist, sind für die Entscheidung des Gerichts der weiteren Beschwerde die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Tatsachen und der Sachverhalt zur Zeit des Erlasses der Entscheidung des Beschwerdegerichts maßgebend. Eine Nachprüfung von tatsächlichen Verhältnissen ist dem Gericht der weiteren Beschwerde verwehrt. Die Tatsachenwürdigung ist aber dahin nachprüfbar, ob die Richter der Vorinstanz den maßgebenden Sachverhalt erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisre...

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