Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur Herausgabe eines Kindes an den alleinsorgeberechtigten Elternteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verpflichtung zur Herausgabe eines Kindes an den alleinsorgeberechtigten Elternteil im Wege einstweiliger Anordnung, wenn gleichzeitig auf Antrag des anderen Elternteils ein Parallelverfahren zur Änderung der elterlichen Sorge geführt wird;

2. Vollstreckungsanordnungen gem. § 33 Abs. 2 FGG.

 

Normenkette

BGB § 1696; ZPO § 621g S. 2, § 620c S. 1; FGG §§ 19-20, 33 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Grünstadt (Beschluss vom 11.05.2004; Aktenzeichen F 115/04)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, das Kind M.S., geboren am ...11.1993, an den Antragsteller herauszugeben.

2. Der Antragsgegnerin wird untersagt, das Kind M.S. außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu verbringen.

3. Der zuständige Gerichtsvollzieher wird ermächtigt und beauftragt, zum Zwecke der Vollstreckung der Herausgabeanordnung das Kind der Antragsgegnerin wegzunehmen und zur Durchsetzung dieser Anordnung auch Gewalt zu gebrauchen, um den Widerstand der Antragsgegnerin zu überwinden und ihre Wohnung zu durchsuchen, sowie polizeiliche Vollzugsorgane zu seiner Unterstützung hinzuzuziehen

4. Das beteiligte Jugendamt des Landkreises C. soll zu der Vollstreckung der Herausgabeanordnung zugezogen werden und die Vollstreckung durch geeignete Maßnahmen, die auch vom Jugendamt des Landkreises B. im Wege der Amtshilfe erbracht werden können, unterstützen.

II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Das Rechtsmittel des Antragstellers ist gem. den §§ 621g S. 2, 620c S. 1 ZPO, 19, 20 FGG zulässig. Es führt auch in der Sache zum erstrebten Erfolg.

I. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind in selbständigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit einstweilige Anordnungen - wie früher vorläufige Anordnungen - nur zulässig, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kindesinteressen nicht mehr genügend wahren würde (Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 19 Rz. 30). Erforderlich ist, dass ohne eine solche Eilentscheidung des Gerichts eine nachhaltige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.8.2001 - 6 WF 95/01).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

1. Das Kind M. befindet sich seit Mitte April gegen den Willen des allein sorgeberechtigten Vaters bei der Mutter in G. Die Eltern sind aufgrund tief greifender Zerrüttung ihrer persönlichen Beziehung nicht in der Lage, miteinander zu reden, geschweige denn eine gemeinsame Basis zur Regelung grundsätzlicher Fragen im Hinblick auf Verbleib und Erziehung des Kindes M. zu finden. Dies hat sogar dazu geführt, dass M. nach Ende der Osterferien zunächst für eine gewisse Zeit die Schule nicht besucht hat. Ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache kann deshalb nicht hingenommen werden.

2. Zur Abwendung der für das Wohl des Kindes M. durch die derzeitige Situation bestehenden Gefahr hält der Senat die vom Vater beantragte Maßnahme, nämlich die sofortige Herausgabe des Kindes an den Vater, d.h. die Verbringung des Kindes an den gewöhnlichen Aufenthaltsort und Wohnsitz des Vaters in L., für geboten.

a) Zwar darf in aller Regel durch eine einstweilige Anordnung vor der Entscheidung in der Hauptsache die Hauptsache nicht vorweggenommen werden (Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 19 Rz. 31). Davon ist jedoch bei besonderer Dringlichkeit eine Ausnahme zu machen. Diese besondere Dringlichkeit sieht der Senat vorliegend in dem Umstand, dass der Schulbesuch des Kindes M. der kontinuierlichen Fortführung bedarf. Gerade weil die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf, besteht ein dringendes Interesse daran, dass M. zumindest bis zur endgültigen Entscheidung über das Herausgabeverlangen des Vaters die Schule an seinem bisherigen Wohnort weiter besucht, damit nicht durch einen verfrühten Schulwechsel Fakten geschaffen werden, welche die spätere Hauptsacheentscheidung beeinflussen könnten.

b) Die angeordnete Maßnahme erscheint auch im Lichte einer allenfalls summarisch gebotenen Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheantrages auf Herausgabe des Kindes an den Vater nicht unangemessen. Darüber hinaus steht nach Ansicht des Senats einer Entscheidung in der Hauptsache nichts mehr entgegen, so dass sich die zeitliche Wirkung der zu treffenden einstweiligen Maßnahme in engen Grenzen halten dürfte.

Der Vater ist Alleininhaber der elterlichen Sorge für M. Als solche steht ihm gem. § 1632 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe des Kindes gegen jeden zu, der ihm das Kind widerrechtlich vorenthält. Beide Voraussetzungen sind vorl...

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