Leitsatz (amtlich)
Das Oberlandesgericht kann auf einen Antrag des Verletzten auf gerichtliche Entscheidung gem. 172 Abs. 2 Satz 1 StPO weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft anordnen, wenn diese in einem Kernbereich der zu untersuchenden Tat unvollständig ermittelt hat und umfangreiche Nachforschungen notwendig sind (hier: Fixierung eines Untergebrachten gem. § 17 Abs. 2 Nr. 4 PsychKG RP 17. November 1995).
Tenor
- Auf den Antrag des Verletzten hin wird die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 12. November 2019 betreffend die Beschuldigten H und Dr. S aufgehoben.
- Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) wird angewiesen, die Ermittlungen gegen die Beschuldigten H und Dr. S wieder aufzunehmen und in dem unter Berücksichtigung der Rechtsaufassung des Senats erforderlichen Umfang durchzuführen.
- Im Übrigen - betreffend die Beschuldigte R - wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Antragsteller war vom 13. bis zum 19. Juni 2017 in der psychiatrischen Abteilung des Stadtkrankenhauses Frankenthal (Pfalz) untergebracht. Dem lag - nach Einlieferung durch die Polizei in den Abendstunden des 13. Juni 2017 - ein Beschluss des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. Juni 2017, Az. 2 XIV 29/17 L, auf der Grundlage des PsychKG RP vom 17. November 1995 zugrunde, der später mit Beschluss des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. Dezember 2017, Az. 1 T 214/17, für rechtswidrig erklärt wurde, weil die Anhörung des Antragstellers durch das Amtsgericht fehlerhaft erfolgt war. Der Antragsteller war durch die Polizei in das Stadtkrankenhaus verbracht worden, nachdem er in der Nähe seiner Wohnung auf der Straße mit Gegenständen um sich geworfen hatte, wobei er zwei Pkw beschädigte, und zudem Todesdrohungen zum Nachteil seiner - in der Situation nicht anwesenden - Kinder ausgesprochen hatte. Durch den Beschuldigten H wurden nach einer Untersuchung des Antragstellers im Stadtkrankenhaus die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Antragstellers nach dem PsychKG festgestellt und sodann eine 5-Punkt-Fixierung angeordnet. Die genauen Umstände dieser Anordnung und ihrer Durchführung soweit sie über das in der Krankenakte Notierte hinausgehen sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Die Fixierung, während der der Antragsteller überwacht wurde, dauerte bis um 2.30 Uhr des Folgetags und wurde dann auf eine Diagonalfixierung reduziert, die bis um 8.50 Uhr fortdauerte, als der Beschuldigte Dr. S die Fixierung aufhob. Der Antragsteller verweigerte weitgehend die ärztlich für erforderlich gehaltene Medikation, wohl weil er befürchtete vergiftet zu werden. Am 16. Juni 2017 kam es erneut zu einer Fixierung des Antragstellers, nachdem ab ca. 16 Uhr das Personal der Station, insbesondere die Beschuldigte R beunruhigt war. Z.B. kam es nach dem bisherigen Ermittlungsstand zu Türenschlagen und einem nicht näher spezifizierten, bedrohlichen Verhalten des Antragstellers. Aufgrund der in den Krankenakten festgehaltenen, aber darüber hinaus nicht weiter aufgeklärten Situation heraus wurde die Polizei hinzugerufen und mit deren Hilfe der Antragsteller ab 16.40 Uhr vollfixiert. Durch wen die Anordnung erfolgte, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Die Krankenakte (Bl. 51 mittlere Spalte oben) enthält die Wendung "10 mg i.v. direkt" und dann in der Folgezeile "n. Anw. Dr. S" und in der nächsten Zeile "Vollfixierung". Abgezeichnet ist dies durch zwei Unterschriftskürzel, von denen der Beschuldigte Dr. S angibt, sie stammten von einem Dr. D. Die Eintragung ist insoweit aber nicht eindeutig. Die Fixierung wurde erneut durchgängig überwacht, jedenfalls z.T. durch die Beschuldigte R. Das Verhalten des Antragstellers wurde, wie auch bei der Fixierung vom 13./14. Juni 2017, in einem Protokoll festgehalten. Nachdem der Antragsteller sich in der Nacht bereit erklärt hatte, das Medikament Olanzapin einzunehmen, wurde die Vollfixierung gelöst und eine Diagonalfixierung angewandt. Um 9.30 Uhr wurde der Antragsteller auf Anordnung des Beschuldigten Dr. S entfixiert.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit Verfügung vom 12. November 2019 gem. § 170 Abs. 2 StPO ein, nachdem sie zuvor die medizinischen Unterlagen des Antragstellers im Rahmen einer Durchsuchung sichergestellt hatte und die Beschuldigten H, Dr. S und R sich über ihre Verteidiger zur Sache eingelassen hatten. Die Akte 2 XIV 29/17 des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) und die Akte des Ermittlungsverfahrens 5371 Js 36254/17 der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) gegen den Antragsteller wegen Sachbeschädigung waren beigezogen.
Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, die in dem zeitlich nach dem beanzeigten Geschehen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Problematik der Fixierung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (Urteil vom 24. Juli 2018, Az. 2 BvR 309/15 und 2 BvR 502/16) aufgestellten Grundsätze seien bei der Beurteilung der Strafbarkeit des Verhalten...