Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verkehrssicherungspflichtverletzung

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 29.03.2011; Aktenzeichen 6 O 297/10)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird, soweit dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2) versagt worden ist, aufgehoben und das Verfahren in diesem Umfang zur neuen Sachbehandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Der Einzelrichter der Zivilkammer wird angewiesen, dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin zu 2) nicht mit der Begründung zu versagen, dass eine gegen sie gerichtete Klage keine Aussicht auf zumindest teilweisen Erfolg habe.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Festgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf 25 EUR ermäßigt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller will gegen die Antragsgegner materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Unfall geltend machen, den er als Arbeitnehmer der Baufirma D. H. GmbH erlitten hat, welche von der Antragsgegnerin zu 2) als Subunternehmerin beauftragt worden war.

Die Antragsgegnerin zu 2) errichtete als Generalunternehmerin das Logistikzentrum der Firma J. N.. Die Antragsgegner zu 1) und 3) waren auf der Baustelle als ihre Mitarbeiter (Polier bzw. angestellter Bauleiter) tätig. Mit der Ausführung von Rohbauarbeiten an einem Löschwassertank hatte die Antragsgegnerin zu 2) die Arbeitgeberin des Antragstellers beauftragt. Im Zuge dieser Arbeiten stürzte der Antragsteller am 6.8.2008 von einem ungesicherten Baugerüst ca. 6 Meter in die Tiefe und zog sich dabei schwerste Verletzungen zu.

Für die wegen Fehlens eines Rückenschutzes nicht ordnungsgemäße Sicherung des Gerüstes macht der Antragsteller alle drei Antragsgegner als Gesamtschuldner verantwortlich. Er beantragt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 100.000 EUR begehrt werden soll sowie die Feststellung der Einstandspflicht für den unfallbedingten Schaden, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

Das LG hat Prozesskostenhilfe verweigert, weil nach Maßgabe des Nachunternehmervertrages zwischen der Antragsgegnerin zu 2) und der Arbeitgeberin des Antragstellers Letztere allein verkehrssicherungspflichtig für das Gerüst gewesen sei. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

II. Das nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfreie Rechtsmittel erzielt in der Sache den aus der Beschlussformel ersichtlichen (vorläufigen) Teilerfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für beabsichtigte Schadensersatz- und Schmerzensgeldklagen in Richtung auf die Antragsgegner zu 1) und zu 3) wendet. Diesen gegenüber stehen dem Antragsteller keine Ersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu.

a) Allerdings scheidet eine Inanspruchnahme dieser Antragsgegner für Gesundheitsschäden des Antragstellers nach Aktenlage nicht schon deshalb aus, weil sie wegen Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte nach § 106 Abs. 3 Alternative 3 SGB VII i.V.m. §§ 104, 105 SGB VII haftungsprivilegiert wären. Denn eine "gemeinsame" Betriebsstätte i.S.v. § 106 Abs. 3 Alternative 3 SGB VII ist mehr als "dieselbe" Betriebsstätte und deshalb nach der Rechtsprechung des BGH nicht schon dann anzunehmen, wenn Sozialversicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinander treffen. Erforderlich ist vielmehr ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf oder eine Gefahrengemeinschaft im Sinne einer wechselseitigen Gefährdungslage, wobei sich die Beteiligten aufgrund ihrer jeweiligen Tätigkeiten typischerweise ablaufbedingt "in die Quere kommen" (vgl. etwa BGH, Urt. v. 1.2.2011 - VI ZR 227/09 - Rz. 7-10 m.w.N., zitiert nach juris; BGH NJW 2004, 947; BGH NJW 2008, 2116).

Davon ist in Bezug auf das streitige Unfallgeschehen vom 6.8.2008 nicht auszugehen. Denn die Antragsgegner tragen selbst vor, dass die Arbeiten im Inneren des Löschwassertanks, bei welchen der Antragsteller von dem Baugerüst stürzte, ausschließlich von den Mitarbeitern der Arbeitgeberin des Antragstellers durchgeführt wurden (Schriftsatz vom 19.8.2010, dort Seite 10 = Bl. 72 d.A.).

b) Eine Haftung der Antragsgegner zu 1) und zu 3) wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung, die sich in Ermangelung einer schuldrechtlichen Beziehung dieser Personen zu dem Antragsteller nur aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) herleiten ließe, besteht aber aus anderen Gründen nicht.

Allein der Umstand, dass der Antragsgegner zu 1) für die als Generalunternehmerin fungierende Antragsgegnerin zu 2) auf der Baustelle gearbeitet hat, machte ihn nicht verkehrssicherungspflichtig (BGH, Urt. v. 14.6.2005 - VI ZR 25/04 -, Rz. 26, zitiert nach juris); es ist auch nicht ersichtlich, dass er innerhalb des Unternehmens der Antrags...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge