Leitsatz (amtlich)
1. Für den Munitionsbegriff des Waffengesetzes ist deren konkrete Funktionsfähigkeit ohne Belang, sondern nur die Bestimmung zum Verschießen, die nur dann entfällt, wenn die Munition augenscheinlich nicht mehr zum Verschießen geeignet ist.
2. Aus § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WaffG kann allenfalls derjenige, der Waffen oder Munition findet oder in ähnlicher Weise in Besitz nimmt und zugleich redlich ist, ein vorläufiges Besitzrecht ableiten, das mit Ablauf der Anzeigefrist (unverzüglich) endet. Nimmt er Waffen und Munition in Besitz, um sie für sich zu behalten, ist dieser von vorneherein unerlaubt.
3. Die Strafnorm des unerlaubten Munitionsbesitzes nach § 52 Abs. 3 Nr. 2b) WaffG geht nach § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG dem Bußgeldtatbestand der Nichtanzeige eines Munitionsfundes nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 WaffG vor und wird nicht durch diesen als lex specialis verdrängt.
4. Aus den Aufbewahrungspflichten nach § 36 WaffG lässt sich kein Dereliktionsverbot herleiten.
Normenkette
WaffG § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 2, §§ 36, 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 5 S. 3, § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 4, § 53 Abs. 1 Nr. 5; WaffVwV Nr. 37.1; SprengG § 3 Abs. 1 Nr. 6; OwiG § 21 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 959, 965, 966 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 10.01.2017; Aktenzeichen 6 Ns 5036 Js 18895/14) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 6. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10. Januar 2017
- im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Verurteilung wegen fahrlässiger Nichtanzeige eines Fundes von Munition entfällt;
- im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die wegen dieser Ordnungswidrigkeit verhängte Geldbuße von 200 EUR entfällt;
- im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
- Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Bad Dürkheim hat den Angeklagten mit Urteil vom 16. September 2015 wegen fahrlässiger Nichtanzeige eines Munitionsfundes schuldig gesprochen und eine Geldbuße von 300 € gegen ihn festgesetzt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Frankenthal (Pfalz) das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben, ihn wegen fahrlässigen unerlaubten Besitzes von Munition zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt und zugleich eine Geldbuße von 200 € gegen ihn wegen fahrlässiger Nichtanzeige eines Munitionsfundes festgesetzt und die Berufung des Angeklagten verworfen. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge teilweise zum Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte als Angestellter eines entsprechenden Unternehmens Anfang März 2014 mit der Entrümpelung der Wohnung eines verstorbenen Ehepaars in Bad Dürkheim beauftragt worden. Das Mobiliar wurde aufgeladen und zur Mülldeponie in Freidelsheim verbracht. Dort sollte der Angeklagte den Hausrat entsorgen. Dabei entdeckte er in einer Schublade eines weißen Schränkchens, welches aus dem Schlafzimmer der entrümpelten Wohnung stammte, funktionsfähige und erlaubnispflichtige Munition, insgesamt 23 Patronen Kaliber 16 mm sowie 5 Patronen des Kalibers 9 mm, bei denen auch beim ersten Blick für Personen mit gewisser Waffenkunde erkennbar war, dass es sich um scharfe Munition handeln könnte. Der Angeklagte teilte seinen Fund weder seinem Arbeitgeber, dem ebenfalls anwesenden Zeugen F., einem Mitarbeiter der Mülldeponie noch der zuständigen Waffenbehörde mit; vielmehr steckte er die Patronen in seine Tasche ein und nahm sie mit in seine Wohnung, wo er in der Absicht, sie auf nicht absehbare Zeit zu behalten, bis zum 5. Juni 2014 in seinem Wohnzimmerschrank aufbewahrte. Dort wurden die Patronen im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung beim Angeklagten aufgefunden und sichergestellt.
Der Angeklagte, der überdurchschnittliche Kenntnisse und Interessen im Bereich des Waffengesetzes hat, verfügte zu diesem Zeitpunkt nicht über die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis. Dass es sich um erlaubnispflichtige Munition handelt, hätte der Angeklagte unter Anwendung der üblichen Sorgfalt wissen können und wissen müssen.
II.
Das Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang durch.
1. Die Verfahrensrüge in Bezug auf § 265 StPO genügt nicht den Darlegungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.
Bereits nach der Revisionsbegründung ist ein Verfahrensfehler nicht belegt. Die Revision rügt, dass das Landgericht die Verurteilung wegen der fahrlässigen Nichtanzeige eines Munitionsfundes ohne den erforderlichen Hinweis auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes nach § 265 Abs. 1 StPO vorgenommen habe, versäumt es allerdings, den Schuldspruch nach dem amtsrichterlichen Urteil zu erwähnen. Der Angeklagte war bereits in erster Instanz wegen fahrlässiger Nichtanzeige ein...