Leitsatz (amtlich)

Der Rechtsanwalt, in dessen Gegenwart im Verhandlungstermin ein Verkündungstermin bestimmt und dem das Protokoll über den Verhandlungstermin zugeleitet worden ist, hat sich dann, wenn ihm nach dem Verkündungstermin keine Entscheidung zugestellt worden ist, so rechtzeitig zu erkundigen, dass ihm eine Rechtsmitteleinlegung und Begründung noch vor Ablauf der jeweiligen Ausschlussfrist möglich ist. Unterlässt er dies und versäumt er deshalb in einer Familienstreitsache die mangels Zustellung mit dem Erlass der Entscheidung in Lauf gesetzten Fünf-Monatsfristen für die Begründung und Einlegung der Beschwerde, so ist das verspätet eingelegte Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.

 

Normenkette

FamFG § 58 Abs. 1, § 63 Abs. 3, § 68 Abs. 2, § 112 Nr. 3, § 113 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 1; ZPO §§ 310, 329 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Grünstadt (Beschluss vom 11.05.2012; Aktenzeichen 1 F 63/10)

 

Gründe

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Grünstadt vom 11.5.2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt und begründet worden ist. Sie ist daher gem. § 68 Abs. 2 FamFG zu verwerfen.

Gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Familiengerichte findet die Beschwerde statt (§ 58 Abs. 1 FamFG).

Die Beschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat einzulegen und in Familienstreitsachen, zu denen auch die sonstigen Familiensachen nach § 266 FamFG zählen (§ 112 Nr. 3 FamFG), innerhalb von zwei Monaten zu begründen (§ 117 Abs. 1 Satz Halbs. 1 3 FamFG).

Einlegungs- und Begründungsfrist beginnen jeweils mit schriftlicher Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung (§ 63 Abs. 3 Satz 1, 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG); in Familienstreitsachen mit deren Zustellung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 329 Abs. 3 ZPO).

Bei unterbliebener oder - wie hier mangels Rückleitung des Empfangsbekenntnisses - nicht nachweisbarer Zustellung beginnen die Fristen fünf Monate nach Erlass der angefochtenen Entscheidung zu laufen (§ 63 Abs. 3 Satz 2, 117 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 FamFG); an Stelle des Erlasses tritt bei Familienstreitsachen die Verkündung der Entscheidung (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 329 Abs. 1, 310 Abs. 1 ZPO).

Der Beginn der fünfmonatigen Ausschlussfristen wird nur dann (ausnahmsweise) nicht ausgelöst, wenn der beschwerte Beteiligte nicht die Möglichkeit hatte, von der Entscheidung Kenntnis zu nehmen, wobei dann der - vergebliche - Versuch einer Bekanntgabe genügen kann (§ 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG).

Die Regelungen in den §§ 63 Abs. 3 Satz 2 und 117 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 FamFG knüpfen inhaltlich an § 517 ZPO an (BT-Drucks. 16/6308 Seite 206). § 517 ZPO liegt der Gedanke zugrunde, dass Parteien, die vor Gericht streitig verhandeln, mit dem Erlass einer Entscheidung rechnen müssen und es ihnen deshalb zugemutet werden kann, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine Entscheidung ergangen ist (BGH Beschluss vom 21.7.2011 XII ZB 135/09 Rz. 14 m.w.N. - zit. nach juris).

Die - hier ausgelösten - Ausschlussfristen sind nicht gewahrt.

Der angefochtenen Beschluss ist am 11.5.2012 verkündet worden. Die Ausschlussfristen wurden damit mit Ablauf des 11.10.2012 in Lauf gesetzt. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde lief am 11.11.2012, die First zur Beschwerdebegründung am 11.12.2012 ab.

Die Einlegung der Beschwerde erfolgte erst am 18.4.2013; ihre Begründung ging erst am 21.6.2013 beim Beschwerdegericht ein.

Die - nach persönlicher Vorsprache der Antragstellervertreterin bei der Geschäftsstelle des Erstgerichts bewirkte - erneute Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung am 20.3.2013 konnte die bereits verstrichene Ausschlussfrist ebenso wenig beeinflussen wie die Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist durch Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 22.5.2013. Der Ablauf der Rechtsmittelfrist führt unmittelbar zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels und hat daher unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtskraft (BGH Beschluss vom 17.12.1991 VI ZB 26/91 - zit. nach juris).

Der Antragsteller hatte die Möglichkeit rechtzeitig von der verkündeten Entscheidung Kenntnis zu erlangen.

Das Familiengericht hat den Verkündungstermin im Verhandlungstermin vom 16.4.2012 in Anwesenheit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers bestimmt. Das Sitzungsprotokoll wurde ausweislich des Erledigungsvermerks vom 17.4.2012 den Verfahrensbevollmächtigten übermittelt; die Antragstellervertreterin hat nicht erklärt, es nicht erhalten zu haben. Damit musste der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, dessen Verhalten der Antragsteller sich zurechnen lassen muss (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), sowohl durch ihre Teilnahme am Verhandlungstermin als auch aus dem Sitzungsprotokoll bekannt sein, dass am 11.5.2012 eine Entscheidung ergehen sollte; wenn ihr in der Folgezeit keine Entscheidung zugestellt worden ist, hätte sie so rechtzeitig beim Erstgericht nachfragen müssen, dass ihr eine Rechtsmitteleinlegung und -...

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