Entscheidungsstichwort (Thema)
Vor- und Nacherbfolge
Leitsatz (redaktionell)
Während die Einsetzung einer noch nicht erzeugten Person als Erbe nach § 1923 BGB nicht möglich ist, schließt dies nicht die Einsetzung als Nacherbe aus.
Normenkette
BGB §§ 133, 1923, 2101 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 13.12.1996; Aktenzeichen 2 T 736/96) |
AG Montabaur (Aktenzeichen 4 VI 286/96) |
Tenor
1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 170 296,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die am 5. September 1995 verstorbene Erblasserin hatte am 22. Dezember 1975 ein notarielles Testament errichtet, in dem u. a. folgendes bestimmt ist:
„Zu meinem alleinigen Erben setze ich ein meinen Sohn … wohnhaft … und zwar als Vorerben. Von den gesetzlichen Beschränkungen befreie ich ihn nicht.
Nacherbin ist seine Tochter … Sollte mein Sohn noch weitere eheliche Kinder hinterlassen, so sollen diese zu gleichen Teilen mit der Tochter … Nacherben sein. Der Nacherbfall tritt ein mit dem Tode des Vorerben.”
Der in dem Testament angeführte Sohn der Erblasserin ist deren einziges Kind. Er ist verwitwet und hat neben seiner Tochter … keine weiteren ehelichen Abkömmlinge. Am 4. Juni 1996 ließ er sich sterilisieren. Sodann hat er die Erteilung eines Erbscheins beantragt, in dem er als alleiniger Vorerbe und seine Tochter … als Nacherbin nach seinem Tode ausgewiesen werden solle. Das Nachlaßgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers blieb ohne Erfolg. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Erteilung des Erbscheins weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde des Antragstellers ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20 Abs. 1 und 2 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO). Beide Vorinstanzen haben die Erteilung des beantragten Erbscheins mit Recht abgelehnt.
Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Erbscheinsantrag des Antragstellers in inhaltlicher Hinsicht nicht der Erbfolge entspricht, die die Erblasserin mit ihrem Testament vom 22. Dezember 1975 festgelegt hat. Dies läßt Rechtsfehler nicht erkennen und hält den mit der weiteren Beschwerde geführten Angriffen stand.
1. Das Landgericht hat das Testament vom 22. Dezember 1975 dahin ausgelegt, daß als Nacherben nicht nur die im Todeszeitpunkt der Erblasserin allein vorhandene Tochter des Antragstellers, sondern darüber hinaus auch dessen zur Zeit des Erbfalles noch nicht erzeugte, erst zukünftig geborene eheliche Abkömmlinge berufen sein sollen. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
a. Mit Recht hat das Landgericht eine Auslegungsbedürftigkeit des Testaments der Erblasserin im Hinblick auf die Reichweite der angeordneten Nacherbfolge bejaht. Ob eine letztwillige Verfügung der Auslegung fähig und bedürftig ist, ist eine Rechtsfrage, die von dem Gericht der weiteren Beschwerde nachzuprüfen und deren Verkennung als eine Gesetzesverletzung i. S.v. § 27 FGG anzusehen ist (vgl. BGHZ 32, 60, 63; Senat RPfleger 1986, 479, 480 und ständig). Hier ergibt sich die Auslegungsbedürftigkeit der letztwilligen Verfügung daraus, daß keine ausdrückliche Bezeichnung des Zeitpunkts getroffen ist, zu dem der Kreis der als Nacherben bedachten Abkömmlinge festgestellt und damit geschlossen werden soll.
b. Die sonach gebotene Auslegung ist nach § 133 BGB vorzunehmen. Sie hat den wirklichen Erblasserwillen zu erforschen, wobei der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände gewürdigt werden muß. Dabei obliegt die Auslegung grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann vom Senat als Gericht der weiteren Beschwerde nur daraufhin nachgeprüft werden, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend erforscht worden ist, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind und dabei nicht gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen worden ist. Die vom Tatrichter dabei gezogenen Schlußfolgerungen müssen nicht zwingend sein. Es genügt, wenn sie nur möglich sind, mag auch eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe oder sogar noch näher gelegen haben (st. Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt etwa Senatsbeschluß vom 28. Oktober 1996 – 3 W 157/96; BayObLG RPfleger 1980, 471 sowie FamRZ 1990, 1156, 1157 und FamRZ 1993, 854, 855; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 13. Aufl. § 27 Rdn. 42 und 48, jeweils m.w.N.).
Einer an diesen Grundsätzen ausgerichteten Überprüfung hält die von der Zivilkammer in Übereinstimmung mit dem Nachlaßgericht vorgenommene Auslegung des Testaments vom 22. Dezember 1975 stand. Sie widerspricht weder den Denkgesetzen noch der Lebenserfahrung und berücksichtigt alle bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung bekannten wesentlichen Umstände. Die Auslegung verstößt auch nicht gegen gesetzliche Auslegungsregeln. Ihr Ergebn...