Entscheidungsstichwort (Thema)
Miteigentümer eines Grundstücks können für sich als Gesamtberechtigte und ungeschmälert für den Längstlebenden von ihnen ein Nießbrauchsrecht eintragen lassen
Verfahrensgang
AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 30.11.2009; Aktenzeichen BC 3571-4) |
Tenor
Die Zwischenverfügung des AG Bingen vom 30.11.2009 wird aufgehoben.
Das AG - Grundbuchamt - wird angewiesen, die Eintragung des Eigentümernießbrauchrechtes für die Antragsteller nicht von dem Nachweis eines berechtigten Interesses abhängig zu machen.
Gründe
I. Die Antragsteller sind als Miteigentümer zu je ½ an dem im Rubrum näher bezeichneten Grundstück eingetragen. Mit Urkunde ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.11.2009 (UR-Nr ...) haben sie für sich gegenseitig als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB und für den Längstlebenden ungeschmälert am gesamten Hausgrundbesitz ein Nießbrauchsrecht bestellt und dessen Eintragung im Grundbuch beantragt. Mit der angefochtenen Zwischenverfügung hat der Rechtspfleger u.a. darauf hingewiesen, dass für die Eintragung eines Eigentümernießbrauchs ein schutzwürdiges rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse des Eigentümers an der Nießbrauchsbestellung in der Eintragungsbewilligung darzulegen sei. Zur Behebung des Hindernisses hat er eine Frist von 3 Monaten gesetzt. Dagegen richtet sich die von dem Notar eingelegte Beschwerde, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde ist gem. §§ 71 Abs. 1, 72, 73, 81 GBO zulässig. Der Senat ist gem. § 4 Abs. 3 Nr. 2a GerOrgG Rheinland-Pfalz, § 23a Abs. 2 Nr. 8 GVG zur Entscheidung berufen.
In der Sache führt das Rechtsmittel zu dem angestrebten Erfolg. Das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis besteht nicht. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Nach herrschender Meinung kann ein Nießbrauch - wie hier - auch für mehrere Berechtigte als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB bestellt und als solcher jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 47 GBO im Grundbuch eingetragen werden. Die Berechtigung nach § 428 BGB kann auch in der Weise ausgestaltet sein, dass der Nießbrauch zunächst beiden Ehegatten gemeinsam und nach dem Tod eines Berechtigten dem Überlebenden allein zusteht (Staudinger/Gursky BGB 2009, § 1030 Rz. 42 mit zahlr.w.Nw.).
Ob ein Grundstück nur dann mit einem Nießbrauch für den Grundstückseigentümer belastet werden kann, wenn ein besonderes schutzwürdiges Interesse besteht (BGHZ 41, 209 für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit - wirtschaftliches oder ideelles Interesse -; diesem auch für den Nießbrauch folgend: LG Stade, NJW 1968, 1678; LG Hamburg DNotZ 1969, 39; LG Verden Nds Rpfleger 1970, 208; OLG Saarbrücken OLGZ 1992, 5 für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit) oder ob dies ohne jede Voraussetzung zulässig ist (Harder, NJW 1969, 278; Reiff Rpfleger 1992, 151; Meikel/Morvilius, Grundbuchordnung, 10. Aufl., Einl. C Rz. 475; Staudinger/Gursky, BGB § 1009 Rz. 35; Demharter GBO, 27. Aufl., Anh. zu § 44 Rz. 40, 39) kann dahingestellt bleiben. Denn in vorliegendem Fall greift § 1009 Abs. 1 BGB ein. Diese Vorschrift lässt die Belastung der gemeinschaftlichen Sache (also auch des gemeinschaftlichen Grundstücks) zugunsten eines Miteigentümers ohne jede Einschränkung zu. Dementsprechend hat das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 26.11.1993 (Rpfleger 1994, 204) zutreffend festgestellt, dass zugunsten eines Miteigentümers eines Grundstückes ohne Einschränkung und ohne die Anerkennung eines besonderen Bedürfnisses ein Nießbrauch eingetragen werden kann (so auch BayObLG, Rpfleger 1992 für die Belastung eines Grundstückes zugunsten eines Miteigentümers mit einem Wohnrecht). Dies gilt auch für die Belastung eines gemeinschaftlichen Grundstückes zugunsten aller Miteigentümer als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB (vgl. BGH NJW 1975, 445 für die Grundschuld; Pammler-Klein/Pammler in jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 1009 BGB Rz. 8). Vorliegend sind beide Beteiligte jeweils nur (hälftige) Miteigentümer des Grundstückes, an dem ein Nießbrauch zu ihren Gunsten bestellt werden soll. Demnach gilt für jeden Miteigentümer § 1009 Abs. 1 BGB. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des LG Frankfurt vom 21.11.1991 (Rpfleger 1992, 246). Die Entscheidung setzt sich, ausgehend von der Entscheidung des Bundesgerichthofes in BGHZ 41, 209, mit dem Erfordernis des schützenswerten Interesses auseinander. Die Frage, ob es im Hinblick auf die Regelung in § 1009 BGB auf das Vorliegen eines schützenswerten Interesses ankommt, wird in der Entscheidung nicht erörtert.
Aber selbst wenn man die Vorschrift des § 1009 BGB auf diesen Fall für unanwendbar halten und mit der (noch) herrschenden Meinung für die Bestellung eines Eigentümernießbrauches das Vorliegen eines besonderen schutzwürdigen Interesses fordern wollte, ergibt sich dieses bei der hier vorliegenden Fallkonstellation bereits aus der Regelung, dass der Nießbrauch an dem gesamten Hausgrundbesitz nach dem Tod eines Berechtigten ungeschmälert auf den Längstlebenden übergehen soll. Damit...