Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle der Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht ist die Anwendung des § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht gemäß § 68 Abs. 5 FamFG ausgeschlossen.

2. Das Familiengericht hat eine Entscheidung in der Sache noch nicht in der gebotenen Weise umfassend getroffen, wenn die erforderliche Bestellung eines Verfahrensbeistandes, die Anhörung des betroffenen Kindes und die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hinblick auf einen Ausschluss des Umgangs unterlassen wurden. Dies rechtfertigt die Aufhebung und Zurückverweisung von Amts wegen.

 

Normenkette

FamFG §§ 26, 68 Abs. 3 S. 2, Abs. 5, § 69 Abs. 1 S. 2, §§ 158-159

 

Verfahrensgang

AG Grünstadt (Aktenzeichen 1 F 87/18)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Grünstadt vom 11. August 2021 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Grünstadt zurückverwiesen.

II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Senat entscheidet über die Beschwerde des Antragstellers im schriftlichen Verfahren, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG. Die Voraussetzungen des § 68 Abs. 5 Nummer 2 FamFG liegen nicht vor. Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht stellt keine Sachentscheidung im Sinne der Vorschrift dar (vgl. Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 68 FamFG, Rn. 12)

I. Die Beschwerde ist förmlich nicht zu beanstanden, §§ 58 ff. FamFG. In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die familiengerichtliche Entscheidung ist aufzuheben und das Verfahren zur ordnungsgemäßen Sachbehandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen, § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben. Das familiengerichtliche Verfahren und die getroffene Entscheidung leiden an schwerwiegenden Mängeln. Das Familiengericht ist seiner Pflicht zur Sachaufklärung nach § 26 FamFG nicht nachgekommen. Es hat davon abgesehen, sich im Rahmen einer persönlichen Anhörung nach § 159 FamFG einen Eindruck von dem zu diesem Zeitpunkt vier Jahre alten Kind zu verschaffen. Nach dem Willen des Gesetzgebers muss ein Kind im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhalten, seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen. Hat das Kind das dritte Lebensjahr vollendet, kann sein Wille durch eine Anhörung oder durch dritte Personen, etwa einen Verfahrensbeistand, grundsätzlich ermittelt werden (vgl. BeckOK FamFG/Schlünder, 41. Ed. 1.1.2022, FamFG § 159 Rn. 7). Wenn das Familiengericht hier angenommen hat, dass im Hinblick auf den fehlenden Kontakt zum Kindesvater und dem Alter des Kindes aus dessen gerichtlicher Anhörung keine Erkenntnisse gewonnen werden können, hätte es - ungeachtet der Frage, ob eine solche Annahme hier gerechtfertigt war - jedenfalls nicht von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes absehen dürfen. Ein solcher ist nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG in der seit dem 1. Juli 2021 geltenden Fassung im Falle eines Umgangsausschlusses stets zu bestellen. Doch auch nach § 158 Abs. 2 Nummer 5 FamFG a.F. war regelmäßig dem Kind ein Verfahrensbeistand zur Seite zu stellen, wenn der Ausschluss des Umgangsrechts in Betracht kam. Eine tragfähige Begründung, warum das Familiengericht von diesem Erfordernis abgesehen hat, enthält der angefochtene Beschluss nicht. Darüber hinaus rügt die Beschwerde zu Recht, dass das Familiengericht ohne sachverständige Beratung von der Erforderlichkeit eines Umgangsausschlusses und dies bis zum 31. Januar 2023 ausgegangen ist. Auf Grundlage der eingeholten Stellungnahmen der den Antragsteller behandelnden Psychiaterin, die sich ohnehin nicht für einen längerfristigen Umgangsausschluss ausgesprochen hat, kann eine solch einschneidende Entscheidung nicht getroffen werden. Es bedurfte im vorliegenden Einzelfall der genauen Kenntnis des Krankheitsbildes des Antragstellers sowie der Auswirkungen dessen auf das Kindeswohl im Falle eines - gegebenenfalls auch begleiteten - Umgangs.

Angesichts dessen waren die für eine ordnungsgemäße Sachprüfung erforderlichen Tatsachen nicht hinreichend ermittelt. Eine sämtliche Umstände berücksichtigende Entscheidung über die Frage, ob und in welchem Umfang ein Umgang des Antragstellers mit dem Kind verantwortet werden kann bzw. ob und für welche Dauer ein Ausschluss des Umgangs erforderlich ist, war danach nicht möglich. Das Familiengericht hat damit eine Entscheidung in der Sache noch nicht in der gebotenen Weise umfassend getroffen. Dies rechtfertigt die Aufhebung und Zurückverweisung von Amts wegen (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2019; 12669; OLG Hamm BeckRS 2017, 146212; OLG Köln FamRZ 2017, 1164; OLG Rostock BeckRS 2014, 23263; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. Juli 2012 - 15 UF 132/12 -, juris; OLG Zweibrücken Beschluss vom 21. November 2019 - 2 U...

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