Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde gegen einstweilige Anordnung in „gemischt mündlich-schriftlichem Verfahren”
Leitsatz (amtlich)
Hat das Erstgericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach einer mündlichen Verhandlung weitere Ermittlungen veranlasst, so ist die danach im schriftlichen Verfahren erlassene Entscheidung nicht mehr aufgrund mündlicher Verhandlung i.S.d. § 620c Satz 1 ZPO ergangen.
Die Entscheidung in einem solchen "gemischt mündlichschriftlichen Verfahren" ist nach § 620c Satz 2 ZPO unanfechtbar, die hiergegen eingelegte Beschwerde nicht statthaft.
Normenkette
ZPO § 620 Nr. 1, § 620c Sätze 1-2
Verfahrensgang
AG Kaiserslautern (Aktenzeichen 1 F 668/05) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Aus der geschiedenen Ehe der weiter Beteiligten zu 1) und 2) ist das betroffene Kind hervorgegangen.
Mit einstweiliger Anordnung vom 20.12.2005 hat das FamG das Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind R. geregelt. Ein dem entsprechender Umgang kam nicht zustande.
Nach persönlicher Anhörung der Beteiligten am 27.9.2006 hat das FamG mit Beschluss vom 4.10.2006 im Wege der einstweiligen Anordnung zur Durchführung eines vorläufigen Umgangsrechts des Antragstellers mit R. eine Umgangspflegschaft angeordnet, die den Umgang betreffenden Teilbereich der elterlichen Sorge den sorgeberechtigten Eltern entzogen, diese auf einen Umgangspfleger übertragen, einen Umgangspfleger bestellt und weiter bestimmt, dass das Umgangsrecht des Antragstellers einmal wöchentlich für 4 Stunden ausgeübt werden solle, wobei die Entscheidung weiterer Einzelheiten dem Umgangspfleger übertragen wurden.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat der Senat mit Beschluss vom 30.11.2006 die Umgangspflegschaft und die Bestellung des Umgangspflegers aufgehoben, weil dem Beschluss die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 1666 BGB für das Einschreiten des FamG nicht zu entnehmen waren.
Die anschließenden Versuche des FamG, einen betreuten Umgang für den Antragsteller mit dem Kind R. in Gang zu setzen, waren ohne Erfolg.
Mit Beschluss vom 28.11.2007 hat das FamG erneut Umgangspflegschaft angeordnet und den Umgangspfleger bestimmt.
2. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. § 620c Satz 2 ZPO nicht statthaft.
Die Bestellung eines Umgangspflegers greift in das Recht der elterlichen Sorge ein. Eine einstweilige Anordnung ist in diesem Fall nach § 620c Satz 1 ZPO anfechtbar, wenn sie auf Grund mündlicher Verhandlung ergangen ist.
Hieran fehlt es im vorliegenden Falle.
In Rechtsprechung und Literatur ist nach wie vor umstritten, ob in einem Verfahren, in dem zunächst eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, danach aber nicht sogleich entschieden sondern weiter schriftlich vorgetragen und Sachverhalt ermittelt wird (sog. gemischt mündlich-schriftliches Verfahren), eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung i.S.v. § 620c Satz 1 ZPO vorliegt (bejahend: Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 620c Rz. 8 mit weiteren Nachweisen; bejahend unter besonderen Voraussetzungen: Münchner Kommentar/Finger, ZPO, 3. Aufl., § 620c Rz. 8; verneinend: 2. Zivilsenat des Pfälzischen OLG Zweibrücken in FamRZ 1984, 916; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 28. Aufl., § 620c Rz. 2; Musielak/Borth, ZPO, 5. Aufl., § 620c Rz. 6).
Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung.
Nach der gesetzlichen Regelung soll im einstweiligen Rechtsschutzverfahren das Beschwerdegericht nur dann angerufen werden können, wenn das FamG mit den Parteien mündlich verhandelt hat. Ist lediglich über einen Teil des für die Entscheidung herangezogenen Sachverhalts mündlich verhandelt worden, sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Nach § 620b ZPO ist in einem solchen Fall vielmehr (erneut) Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen. Diese ist auch dann zulässig, wenn das Gericht wie im vorliegenden Fall von Amts wegen entschieden hat (vgl. nur OLG Köln NJW-RR 2006, 1437).
Die Auffassung, für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde sei es ausreichend, wenn vor dem FamG - zu irgendeinem Zeitpunkt - mündlich verhandelt worden sei, lässt sich weder mit Wortlaut noch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung vereinbaren. Eine mündliche Verhandlung soll zur Klärung der Streitfragen möglichst in erster Instanz beitragen. Sie ist deshalb auch dann erforderlich, wenn nach einer mündlichen Verhandlung weiter schriftsätzlich vorgetragen wird.
Es erscheint problematisch, für bestimmte Konstellationen - etwa wenn der Vortrag nach mündlicher Verhandlung unstreitig bleibt - Ausnahmen zuzulassen. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels sollten klare Regelungen gelten (ebenso Johannsen/Henrich/Sedemund/Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 620c ZPO Rz. 3). Dies kann hier aber dahingestellt bleiben. Denn eine solche Ausnahme kommt jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht. Die au...