Leitsatz (amtlich)

1. Ein im Ergebnis mit der eindeutigen Rechtslage in Einklang stehender Verweisungsbeschluss ist nicht willkürlich, mag er auch unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sein.

2. Durch die Erhebung einer Klage vor einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht entsteht kein prozessuales Gestaltungsrecht der beklagten Partei dahin gehend, dass es nunmehr alleine in ihrer Hand liegt, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch rügelose Einlassung zu begründen. Unbeschadet der Verpflichtung des angerufenen unzuständigen Gerichts der beklagten Partei vor einer Verweisung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, muss dieser daher nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch rügelose Einlassung zu begründen.

 

Normenkette

ZPO §§ 36, 281; GVG § 23 Nr. 1, § 71

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Beschluss vom 12.03.2010; Aktenzeichen 2d C 110/10)

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 6 O 91/10)

 

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das LG Frankenthal (Pfalz) bestimmt.

 

Gründe

1. Das Pfälzische OLG Zweibrücken ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO für die Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den LG Frankenthal (Pfalz) und dem AG Ludwigshafen am Rhein zuständig.

Die prozessualen Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Danach wird - auch auf Vorlage eines der am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichte, ohne dass es in diesem Fall eines Parteiantrags bedürfte - das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen mindestens eines zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

Derartige zuständigkeitsleugnende Entscheidungen liegen hier in dem Verweisungsbeschluss des AG Ludwigshafen am Rhein vom 25.2.2010 und in der Ablehnung der Übernahme durch das LG Frankenthal (Pfalz) gem. Beschluss vom 5.3.2010. Diese Entscheidungen sind jeweils gem. § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, somit rechtskräftig i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Sie bilden daher verfahrensrechtlich die Grundlage für die Bestimmung des zuständigen Gerichts.

2. Sachlich zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das LG Frankenthal (Pfalz), weil es gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO an den Verweisungsbeschluss des AG Ludwigshafen am Rhein vom 25.2.2010 gebunden ist. Die verfahrensrechtliche Bindungswirkung dauert im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fort. Regelmäßig ist daher das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch bindenden Verweisungsbeschluss gelangt ist.

Diese Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses entfällt nicht alleine dadurch, dass er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst fehlerhaft ist. Seine Bindungswirkung wäre nur dann nicht gegeben, wenn der Verweisung jede gesetzliche Grundlage gefehlt und sie auf Willkür beruht hätte. Dies ist hier schon alleine deshalb nicht der Fall, weil ohne jede Frage die sachliche Zuständigkeit des LG Frankenthal (Pfalz) im Hinblick auf den vom AG zutreffend ermittelten Streitwert i.H.v. mehr als 5.000 EUR nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG besteht. Einem im Ergebnis mit der eindeutigen Rechtslage in Einklang stehenden Verweisungsbeschluss kann niemals jede gesetzliche Grundlage fehlen, mag er auch unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sein.

I. Im Übrigen ist die Verweisung jedenfalls nicht ohne Gewährung rechtlichen Gehörs für die Parteien erfolgt. Das AG hat in seiner Verfügung vom 12.2.2010 unter dem Punkt 1.2.2. auf seine sachliche Unzuständigkeit hingewiesen. Dieser Hinweis ist der Beklagten am 20.2.2010 zugegangen. Die Verweisung erfolgte auf Antrag der Klägerin. Im Weiteren mag es sein, dass der von der Klägerin gestellte Verweisungsantrag der Beklagten jedenfalls nicht vor dem Verweisungsbeschluss durch das AG zur Kenntnis gebracht worden ist und auch, dass die Zeit zwischen dem Zugang des gerichtlichen Hinweises am 20.2.2010 und der Abgabeentscheidung durch das AG am 25.2.2010 sehr knapp war und damit die Beklagte keine ausreichende Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen. Willkürlich macht dies die Abgabeentscheidung indes nicht (BGHR ZPO § 281 Abs. 2 Gehör, rechtliches 3.; Stein/Jonas - Leipold, 22. Aufl., § 281 Rz. 52).

Im Gegensatz zur Auffassung durch die Kammer ist der Abgabebeschluss auch nicht deshalb fehlerhaft (und im Weiteren ggf. willkürlich), weil es das AG unterlassen hat, der Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, durch rügelose Einlassung in der mündlichen Verhandlung die sachliche Zuständigkeit des AG nach § 39 ZPO zu begründen. Durch die Erhebung einer Klage vor einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht entsteht kein prozessuales Gestaltungsrecht der beklagten Partei dahin gehend, dass es nunmehr alleine in ihrer Hand liegt, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch rügelose Einlassung zu begründen. Das Antragsrecht des Klägers, die Verweisung des Rechtsstreits nach § 281 ZPO an ...

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