Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftswert für Gewaltschutzverfahren betreffend die Überlassung der gemeinsamen Wohnung
Leitsatz (amtlich)
Der Geschäftswert für Familiensachen betreffend Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz bestimmt sich nach §§ 100a Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO und nicht nach § 100 Abs. 3 KostO, wenn das Gewaltschutzverfahren die Überlassung der gemeinsamen Wohnung zum Gegenstand hat.
Normenkette
KostO § 30 Abs. 2, § 100a Abs. 2, § 100 Abs. 3; RVG § 17 Nr. 4, § 22 Abs. 1, § 33 Abs. 3; ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 13; FGG § 64b Abs. 3; GewSchG §§ 1-2
Verfahrensgang
AG Ludwigshafen (Beschluss vom 09.03.2007; Aktenzeichen 5c F 25/07) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert:
Der Gegenstandswert für das Hauptsacheverfahren wird auf 4.500 EUR, derjenige für das einstweilige Anordnungsverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner nach §§ 1 und 2 GewaltSchG auf Unterlassung von Kontaktaufnahmen zu ihr und den Kindern und Überlassung der gemeinsamen Wohnung zur alleinigen Benutzung in Anspruch genommen und insoweit auch den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Nach deren Erlass und teilweiser Änderung nach mündlicher Verhandlung wurde das Hauptsacheverfahren mit Rücksicht auf eine mögliche außergerichtliche Einigung der Beteiligten nicht weiterbetrieben.
Das FamG hat mit der angefochtenen Entscheidung den Gegenstandswert für die Hauptsache (vorläufig) auf 2000 EUR und für das einstweilige Anordnungsverfahren auf 1.000 EUR festgesetzt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstreben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eine Heraufsetzung der Geschäftswerte auf mindestens 5.000 EUR für die Hauptsache und mindestens 2.000 EUR für das einstweilige Anordnungsverfahren.
II. Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin führt in der Sache zu einem Teilerfolg.
Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels folgt aus § 33 Abs. 3 RVG, weil es einer Wertfestsetzung (bislang) lediglich für die Berechnung der Anwaltsgebühren bedarf.
Gerichtsgebühren sind (noch) nicht angefallen. Für das Hauptsacheverfahren werden gem. § 100a Abs. 1 KostO Gerichtsgebühren nur im Falle einer hier (noch) nicht erfolgten abschließenden Sachentscheidung erhoben; einstweilige Anordnungsverfahren nach § 64b Abs. 3 FGG im Rahmen selbständiger Familiensachen nach § 621 Abs. 1 Nr. 13 ZPO sind gerichtsgebührenfrei.
Da Hauptsacheverfahren und Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verschiedene Angelegenheiten sind (§ 17 Nr. 4 RVG), sind für beide Verfahrensgegenstände jeweils eigene Werte festzusetzen.
Werden - wie hier (Anträge 1+2) - in einem Verfahren sowohl Maßnahmen nach § 1 Gewaltschutzgesetz als auch solche nach § 2 der genannten Vorschrift begehrt, so handelt es sich um zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände, die jeweils getrennt zu bewerten sind. Für die Bemessung des Gegenstandswertes des Verfahrens sind beide Werte zusammen zu rechnen (§ 22 Abs. 1 RVG).
(1) Der Geschäftswert für Familiensachen betreffend Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 621 Abs. 1 Nr. 13 ZPO) bestimmt sich gem. § 100a Abs. 2 KostO nach § 30 Abs. 2 KostO. § 100a Abs. 2 KostO kommt als Spezialvorschrift gegenüber § 100 Abs. 3 KostO auch für Gewaltschutzverfahren zur Anwendung, die die Überlassung der gemeinsamen Wohnung zum Gegenstand haben (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 100a KostO Rz. 1).
Nach § 30 Abs. 2 KostO ist (jeweils) von Regelwerten von 3.000 EUR auszugehen (Satz 1), die jedoch nach Lage des Falles niedriger oder höher angenommen werden können (Satz 2). Ein Abweichen vom Regelwert ist dann gerechtfertigt, wenn dessen Annahme nach den konkreten Umständen des Einzelfalles unangemessen hoch oder niedrig wäre (vgl. Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl., § 30 Rz. 54 f. m.w.N.).
Vorliegend erscheint dem Senat ein Abrücken vom Regelwert unter Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten, insbesondere für die Antragstellerin, lediglich hinsichtlich des Begehrens auf Überlassung der gemeinsamen Wohnung (Antrag Ziff. 2), nicht aber hinsichtlich des Kontaktaufnahmeverbotes (Antrag Ziff. 1) geboten.
Nach dem Inhalt der Antragsschrift kam es in den Monaten vor der gerichtlichen Inanspruchnahme bei Zusammentreffen der Beteiligten wiederholt zu erheblichen Streitigkeiten und massiven Gewaltandrohungen und Gewaltanwendungen, in die teilweise auch die gemeinsamen drei Kinder mit einbezogen waren. Dass weitere Beeinträchtigungen der Antragstellerin und der Kinder zu besorgen waren, belegt auch das aktenkundige Verhalten des Antragsgegners vor und im Gebäude des AG am Tage der Antragstellung. Angesichts dessen erscheint die Annahme des Regelwertes für das Begehren auf Ausspruch eines Kontaktverbotes nicht unangemessen
Demgegenüber rechtfertigen die konkreten Umstände eine Herabsetzung der Regelwertes auf die Hälfte, soweit die Antragstellerin auch die Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung verlangt hat. Die Antragste...