Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung einer Geldsanktion
Leitsatz (amtlich)
1. Die gerichtliche Entscheidung nach § 87h IRG ist ebenso zu begründen wie ein strafgerichtliches Urteil.
2. Wird dem Betroffenen im - schriftlichen - ausländischen Verfahren rechtliches Gehör nicht gewährt, steht § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG der Vollstreckung einer Geldsanktion entgegen. Beruft sich der Betroffene darauf, vor dem Bewilligungsverfahren keine Kenntnis von dem gegen ihn gerichteten ausländischen Verfahren gehabt zu haben, kann das Gericht die Frage der tatsächlichen Gewährung rechtlichen Gehörs auch dann nicht offen lassen, wenn das ausländische Verfahrensrecht eine Zustellfiktion vorsieht.
3. Der ersuchende Staat hat die Gewährung rechtlichen Gehörs darzulegen und zu beweisen. Gelangen mehrfach mit einfacher Post übersandte Unterlagen nicht in Rücklauf, kann dies ein tragfähiges Indiz sein.
Normenkette
IRG § 87b Abs. 3 Nr. 3, §§ 87j, 87h; EU-RhÜbk Art. 5; RB Geld Art. 4, 7 Abs. 2 Buchst. g, i
Verfahrensgang
AG Speyer (Entscheidung vom 20.10.2015; Aktenzeichen 8 AR 12/15) |
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Speyer vom 20. Oktober 2015 aufgehoben.
- Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Speyer zurückverwiesen.
Gründe
Mit Bescheid vom 29. Juli 2014 hat die Bewilligungsbehörde die Entscheidung des Centraal Justitieel Incassobureau der Niederlande (CJIB) vom 23. Mai 2013, mit welcher gegen den Betroffenen eine Geldsanktion von 115 € verhängt worden war, für vollstreckbar erklärt. Das Amtsgericht Speyer hat mit dem angefochtenen Beschluss den Einspruch des Betroffenen gegen diesen Bescheid als unbegründet verworfen.
Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Betroffenen ist begründet.
I.
Den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass sowohl der niederländische Ausgangsbescheid vom 23. Mai 2013 als auch zwei weitere Mahnschreiben durch Aufgabe zur Post an den Betroffenen versandt worden sind, ohne dass diese als unzustellbar zurückgelangt wären.
Das Amtsgericht hat weiterhin darauf abgestellt, der Vortrag des Betroffenen, den Ausgangsbescheid vom 23. Mai 2013 nicht erhalten zu haben, sei unerheblich. Für das Erkenntnisverfahren sei allein das niederländische Recht maßgeblich, nach welchem eine wirksame Zustellung vorliege. Nach Art. 4 Abs. 2 des niederländischen Gesetzes über die verwaltungsrechtliche Wahrung der Verkehrsvorschriften sei von einer Kenntniserlangung durch die betroffene Person auszugehen, wenn drei Briefe an deren Adresse versandt worden seien und diese nicht als unzustellbar zurückgelangt seien. Bestreite die betroffene Person den Empfang der Briefe, obliege es nach niederländischem Recht dieser, die tatsächlichen Umstände nachzuweisen, die das Nichterhalten der Bescheide plausibel machten. Entsprechende Umstände seien indes nicht vorgetragen worden, so dass von einer wirksamen Zustellung auszugehen sei, da nach den Mitteilungen der niederländischen Behörde sowohl die Ausgangsentscheidung als auch zwei weitere Mahnschreiben versandt worden seien. Diese Zustellung stimme auch mit Art. 5 EU-RhÜbk überein. Die Vollstreckung der Entscheidung sei auch im Übrigen zulässig.
Gegen diesen am 23. Oktober 2015 zugestellten Beschluss hat der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Er hat den Antrag damit begründet, dass nicht lediglich niederländisches Recht zur Anwendung zu bringen sei. Der Betroffene habe weder den Ausgangsbescheid noch die übrigen Schriftstücke erhalten, die nicht aktenkundig gemacht worden seien. Eine wirksame Zustellung liege letztlich nicht vor.
Die Bewilligungsbehörde hat hierzu ausgeführt, dass der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, hilfsweise die Rechtsbeschwerde selbst unbegründet sei. Es stehe keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Raum. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gebiete, dass sich das Erkenntnisverfahren nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates richte. Im Vollstreckungshilfeverfahren sei die ausländische Entscheidung nur noch nach Maßgabe der §§ 87ff. IRG zu prüfen. Es könne nicht verlangt werden, dass das ausländische Verfahren in gleicher Weise ausgestaltet sei wie das innerstaatliche. Bereits einer Vielzahl von Entscheidungen sei das niederländische Zustellungsrecht zugrunde gelegt worden. Auch liege kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs vor (§ 87k Abs. 1 Nr. 2 IRG). Die Vollstreckung sei zudem zu Recht bewilligt worden. Die zuständige niederländische Stelle habe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG in der vorgelegten Bescheinigung bestätigt. Im Rahmen des Vollstreckungshilfeverfahrens nach RB Geld (Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen) würden die Angaben in der Bescheinigung dem Verf...