Leitsatz (amtlich)

1. Wer seinen Umgangsantrag in erster Instanz zurückgenommen hat, kann das Umgangsbegehren gleichwohl im Wege der Beschwerde gegen den Beschluss über die Feststellung der Beendigung des Umgangsverfahrens weiterverfolgen.

2. In diesem Fall kann der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wegen Mutwilligkeit zurückzuweisen sein.

 

Normenkette

BGB § 1684; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2; ZPO § 114 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Kusel (Aktenzeichen 1 F 385/22)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kusel vom 2. November 2022 aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Erstgericht zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

3. Der Antrag der Kindesmutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft die Abänderung einer Umgangsregelung.

Die Kindesmutter ist in einem undatierten, am 13. Oktober 2022 beim Erstgericht eingegangenen Schreiben an das Familiengericht mit dem Wunsch herangetreten, an Weihnachten "für 1 besser 2 Tage" Umgangskontakte mit ihren beim Kindesvater lebenden Kindern L... und J... zu erhalten. Zuvor erfolgten aufgrund einer am 11. Dezember 2019 in dem Verfahren 1 F 403/19 geschlossenen Umgangsvereinbarung nur begleitete Umgangskontakte.

Das Familiengericht hat einen Anhörungstermin bestimmt und eine Verfahrensbeiständin bestellt. Nachdem die Kindesmutter noch vor Durchführung des Anhörungstermins mitgeteilt hat, sie wolle "von ihrem Vorhaben zurücktreten, das Umgangsrecht zurückzuerhalten", hat das Familiengericht mit Beschluss vom 2. November 2022 festgestellt, dass derzeit eine gerichtliche Abänderung der bestehenden Umgangsregelung nicht erforderlich sei.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt die Kindesmutter nunmehr Umgangskontakte im Zwei-Wochen-Rhythmus von freitags 16.00 Uhr bis sonntags 19.00 Uhr sowie eine Ferien- und Feiertagsregelung. Kindesvater, Verfahrensbeiständin und Jugendamt hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II. Die gem. § 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung an das Familiengericht.

1. Zunächst ist klarzustellen, dass das Umgangsverfahren nicht bereits durch die Erklärung der Kindesmutter, von dem "Vorhaben zurücktreten" zu wollen, beendet wurde. In Amtsverfahren wie dem vorliegenden Umgangsverfahren haben die Beteiligten keine Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand. Daher muss die Beendigung des Verfahrens durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt werden (Oberlandesgericht Schleswig, Beschluss vom 30. Dezember 2011, 10 UF 230/11). Diese durch das Erstgericht mit Beschluss vom 2. November 2022 getroffene Feststellung war nach dem damaligen Verfahrensgegenstand aufgrund der Erklärung der Kindesmutter zwar zutreffend und konsequent. Sie kann jedoch aufgrund des Beschwerdevorbringens, mit dem die Kindesmutter nunmehr eine weitergehende Umgangsregelung erstrebt, keinen Bestand haben.

2. Der angefochtene Beschluss ist gem. § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen, weil eine Entscheidung in der Sache noch nicht ergangen ist. Das Erstgericht hat vielmehr in der begründeten Erwartung, die Kindesmutter wolle an ihrem zuvor geäußerten Vorhaben nicht mehr festhalten, von dem damaligen Standpunkt folgerichtig, von einer Sachentscheidung abgesehen. In Ausübung des ihm nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG eingeräumten Ermessens entscheidet sich der Senat für die Möglichkeit der Zurückverweisung an das Erstgericht, weil den Beteiligten ansonsten ein Rechtszug genommen würde. Überdies kann die Erstrichterin im Rahmen ihrer Entscheidung auf die Erkenntnisse aus früheren Verfahren, insbesondere dem Verfahren 1 F 403/19, zurückgreifen.

Daran ändert auch die nach Mitteilung der Kindesmutter und der Verfahrensbeiständin im Raum stehende einvernehmliche Beendigung des Umgangsverfahrens nichts. Denn auch nach Zustandekommen einer Umgangsvereinbarung ist gem. § 156 Abs. 2 FamFG eine Entscheidung über deren gerichtliche Billigung zu treffen.

III. Die Entscheidung über den Gegenstandswert folgt aus § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 FamFG. Da der Senat nicht in die Sachentscheidung eingetreten ist, ist es gerechtfertigt, den Regelwert um die Hälfte zu reduzieren.

IV. Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Kindesmutter ist zurückzuweisen, weil ihre Rechtsverfolgung mutwillig im Sinne der §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO ist. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung, wenn eine Partei, die keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertige...

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