Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Nachteilige bauliche Veränderung durch Terrassenüberdachung mit Rundumverglasung

 

Verfahrensgang

AG Lahnstein (Aktenzeichen 1 UR II 275/87 - WEG)

LG Koblenz (Aktenzeichen 4 T 427/88)

 

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 20 000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Das zulässige Rechtsmittel (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG) bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Beschwerdeentscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Die Zivilkammer hat vielmehr zutreffend entschieden, daß die Erweiterung des Glasdachs und die Anbringung von gläsernen Seitenwänden an der dem Antragsgegner zur Sondernutzung als Sitzplatz überlassenen Teilfläche des gemeinschaftlichen Eigentums bauliche Veränderungen im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG darstellen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen und die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigen, so daß diese sie nur dann dulden müßten, wenn ihnen alle Wohnungseigentümer zugestimmt hätten.

Daß die Erweiterung eines über einem Sitzplatz errichteten Glasdachs und die Anbringung gläserner Seitenwände bauliche Veränderungen sind, bedarf keiner weiteren Begründung. Über die bloße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gehen diese Maßnahmen schon deswegen hinaus, weil sie sich nicht in der Reparatur oder Erneuerung bereits früher vorhandener gleichartiger Bauteile erschöpfen. Soweit der Antragsgegner im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals geltend macht, auch im Bereich der Dacherweiterung sei bereits früher ein – kleineres – Dach vorhanden und von der Miteigentümergemeinschaft genehmigt gewesen, kann er damit im Rechtsbeschwerdeverfahren kein Gehör finden. Der Senat hat seiner Entscheidung vielmehr allein die von den Vorinstanzen verfahrensfehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen zugrundezulegen. Danach hat der Antragsgegner aber das ursprünglich vorhandene und von der Miteigentümergemeinschaft genehmigte Glasdach um den Teil zwischen der Eingangstür seiner Wohnung und der Wohnung Severin erweitert.

Diese Feststellung haben die Vorinstanzen entgegen dem Rechtsbeschwerdevorbringen verfahrensfehlerfrei getroffen. Die Beschwerdekammer hatte keine Veranlassung, in dieser Richtung weitere Ermittlungen anzustellen. Sie durfte sich vielmehr auf das Protokoll der Amtsrichterin über das Ergebnis der Ortsbesichtigung vom 7. Juli 1988 (Bl. 96 f d. A.) stützen, denn ausweislich dieses Protokolls, dem auch im Erstbeschwerdeverfahren keiner der Beteiligten widersprochen hat, bestand unter den Erschienenen einschließlich des Antragsgegners Einigkeit über den ursprünglich vorhandenen und genehmigten Umfang des Glasdaches.

Zu Recht hat die Beschwerdekammer auch angenommen, daß die von dem Antragsgegner vorgenommenen baulichen Veränderungen die übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob sich für die übrigen Wohnungseigentümer ein konkreter Nachteil im Sinne einer Verschlechterung oder Gefährdung ihrer Rechts- oder Vermögenspositionen feststellen läßt. Einen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil nehmen Rechtsprechung und Schrifttum vielmehr seit jeher stets dann an, wenn bauliche Veränderungen das architektonische Aussehen, das ästhetische Bild oder den Stil des Anwesens verändern (vgl. OLG Hamburg MDR 1977, 230; BayObLG NJW 1981, 690; Senatsbeschlüsse vom 7. Juli 1987 - 3 W 58/87 - sowie vom 30. April 1984 - 3 W 33/84 - m. w. N.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 6. Aufl., § 22 Rdnr. 34; Weitnauer, WEG, 6. Aufl., § 22 Rdnr. 2; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, Rdnr. 540). Hierzu zählen grundsätzlich auch Glasfensterkonstruktionen an einem Balkon oder die Verglasung einer Loggia (Senatsbeschluß vom 7. Juli 1987, aaO, m. w. N.). Für die hier zu beurteilende Verlängerung eines Glasdaches und Rundumverglasung eines Freisitzes kann nichts anderes gelten (vgl. auch Müller, aaO, Rdnrn. 560, 586, 592, 602 m. w. N.).

Der mit einer solchen Maßnahme verbundene Nachteil läßt sich auch nicht mit der Begründung leugnen, die Vollverglasung der Terrasse verändere den architektonischen Gesamteindruck des Bauwerks nicht nachteilig. Nach der Rechtsprechung des Senats kann es nicht Sinn und Zweck der Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG sein, die Zulässigkeit einer baulichen Veränderung davon abhängig zu machen, ob eine nicht ganz unerhebliche Veränderung des optischen Eindrucks oder der architektonischen und ästhetischen Gestaltung eines Bauwerks nach dem Urteil des jeweils letztinstanzlich entscheidenden Richters als ...

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