Leitsatz (amtlich)
Die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG ist statthaft, wenn im Falle einer Mandatsniederlegung im laufenden Verfahren anstelle einer Bestimmung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit eine nicht veranlasste vorläufige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 1 FamGKG vorgenommen wird.
Bei der Bewertung von Stufenanträgen nach §§ 113 FamFG, 254 ZPO ist auch bei noch nicht erfolgter Bezifferung des Leistungsantrages nicht der Wert des Auskunftsantrages maßgebend, vielmehr ist auf den anhand der erkennbaren Erwartungen des Antragstellers zur Höhe seines Anspruches zu schätzenden Wert des bereits mit Erhebung des Stufenantrages rechtshängigen unbezifferten Leistungsantrag abzustellen.
Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist nicht gebührenfrei.
Normenkette
FamGKG §§ 34, 38-39, 42, 55 Abs. 1-2, § 59; RVG § 16 Nr. 4, § 33 Abs. 1, 3, 9; ZPO § 254
Verfahrensgang
AG Kandel (Aktenzeichen 1 F 349/18) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Kandel vom 10.06.2020 geändert:
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Rechtsanwältin T. wird auf 36.717,55 EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. Die Beschwerde ist statthaft nach § 33 Abs. 3 RVG und auch im Übrigen zulässig.
Das Familiengericht hat mit der angefochtenen Entscheidung den Verfahrenswert festgesetzt, wogegen sich die Beschwerdeführerin mit ihrer als Streitwertbeschwerde bezeichneten und auf den Verfahrenswert Güterrecht bezogene Beschwerde vom 28.05.2020 wendet. Einschlägig wäre damit zunächst § 59 FamGKG. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde jedoch nur zulässig, wenn mit der angefochtenen Entscheidung eine Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG getroffen wird; eine vorläufige Festsetzung gemäß § 55 Abs. 1 FamGKG genügt dagegen nicht (vgl. OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2017, 123103; OLG Saarbrücken BeckRS 2011, 22635; OLG Hamm BeckRS 2013, 04441; OLG Köln BeckRS 2016, 17274). Gleiches gilt für die Beschwerde eines Verfahrensbevollmächtigten (vgl. OLG Celle FamRZ 2011, 134). Auch wenn das Familiengericht zunächst davon ausging, eine abschließende Wertfestsetzung vorzunehmen, war dies im Hinblick auf das noch laufende Güteverfahren tatsächlich nicht der Fall. Im Scheidungsverbund bleibt es auch nach der Abtrennung von Folgesachen bei dem Erfordernis einer einheitlichen Festsetzung und Zusammenrechnung des Verfahrenswerts nach § 44 Abs. 2 FamGKG (vgl. Schneider/Volpert FamGKG § 44 Rn. 63). Dem hat das Familiengericht letztlich Rechnung getragen und mit der Teilabhilfeentscheidung vom 10.06.2020 den Verfahrenswert Güterrecht einbezogen. Die Einbeziehung vorläufiger Einzelwerte für noch nicht abgeschlossene Verfahren des Verbundes neben endgültig festgesetzten Teilverfahrenswerten ist eine grundsätzlich mögliche Vorgehensweise, sofern eine Festsetzung des Verfahrenswertes vor endgültigem Abschluss aller Verfahren des Verbundes erforderlich wird (vgl. OLG Hamm BeckRS 2013, 04441; BeckOK Kostenrecht FamGKG § 44 Rn. 89). Sie hat allerdings zur Folge, dass sich die Festsetzung insoweit als vorläufig darstellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist damit unzulässig (vgl. OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2017, 123103).
Das Rechtsmittel ist jedoch als Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG zu behandeln und insoweit zulässig. Die Beschwerdeführerin hat in der Sache von Anfang an eine Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG für die Berechnung ihrer Rechtsanwaltsgebühren für die Tätigkeit bis zur Niederlegung des Mandats geltend gemacht. Dies ergibt sich bereits aus den Schriftsätzen vom 18.11.2019 und 11.03.2020 mit denen die Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt wurde. Der Antrag war zulässig nach § 33 Abs. 2 RVG, nachdem die Vergütung mit der Beendigung des Mandats fällig geworden ist. Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG dient dem Zweck, dem Rechtsanwalt auf Antrag die Abrechnung seiner im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erbrachten Leistungen zu ermöglichen, wenn wie hier mangels Verfahrensbeendigung eine endgültige Verfahrenswertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG nicht erfolgen kann. Eine "vorläufige" Festsetzung des Gegenstandswertes ist insoweit nicht möglich (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 2018, 1257; OVG Münster, Beschl. 16.06.2014, 12 E 625/14, juris). Die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG ist daher nicht nur dann statthaft, wenn die Festsetzung abweichend von dem Antrag erfolgt oder insgesamt abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn eine Bestimmung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit unterlassen und stattdessen eine nicht veranlasste vorläufige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 1 FamGKG vorgenommen wird (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 17.4.2018 - 5 WF 65/18, BeckRS 2018, 5839 m.w.N.).
2. Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
Zunächst insoweit, als hinsichtlich der Entscheidung vom 10.06.2020, mit der für den Verfa...