Entscheidungsstichwort (Thema)

Volljährigenunterhalt. jugendamtlich. tituliertem Minderjährigenunterhalt. berufsbildende Schulen. Kindesunterhalts. Prozesskostenhilfe für die erste Instanz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vollstreckungstitel, die aus der Zeit der Minderjährigkeit des Unterhaltsbedürftigen stammen, wirken auch über die Volljährigkeit hinaus fort; dies gilt grundsätzlich auch für Jugendamtsurkunden, es sei denn, es läge nur eine Teiltitulierung vor (Fortführung von OLG Zweibrücken, FamRZ 1992, 840).

2. Deshalb muss ein Unterhaltsmehrverlangen des – weiterhin unterhaltsbedürftigen – Kindes im Wege der Abänderungsklage geltend gemacht werden.

3. Berufsschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen und der sogenannte Akademiebereich sind keine allgemeinbildenden Schulen im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB.

 

Normenkette

BGB § 1601 ff; ZPO §§ 323, 59-60; SGB VIII

 

Verfahrensgang

AG Bad Dürkheim (Beschluss vom 05.02.1999; Aktenzeichen 2 F 217/98)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Die Klägerin begehrt für die Zeit von Juli bis Dezember 1998 Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt 3.115,20 DM und macht für die Zeit ab Januar 1999 einen monatlichen Kindesunterhalt von 477,– DM geltend. Der Beklagte hat sich indes bereits mit vollstreckbarer Urkunde des Kreisjugendamtes … vom 18. Dezember 1995 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 465,– DM ab 1. Januar 1996 an die Klägerin verpflichtet. In diesem Umfang ist der vorliegend geltend gemachte Kindesunterhalt bereits tituliert und die beabsichtigte Klage insoweit deshalb mutwillig i.S.d. § 114 ZPO.

Die am 13. Juni 1998 eingetretene Volljährigkeit der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen und derjenige eines volljährigen Kindes sind rechtlich identisch, wenn auch unterschiedlich privilegiert. Vollstreckungstitel, die aus der zeit der Minderjährigkeit des Kindes stammen, wirken deshalb grundsätzlich über den Zeitpunkt der Volljährigkeit fort (allg. Meinung in Rspr. und Lit., s. nur: Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 2 Rdnrn. 17, 18; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl., Teil V. Rdnr. 12; MünchKomm/Köhler, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rdnr. 33; Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., § 1601 Rdnr. 4 jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. auch OLG Zweibrücken, FamRZ 1992, 840, 841).

Aber auch bezüglich des überschießenden – bislang nicht titulierten relativ geringen – Spitzenbetrags kann der Klägerin zur Durchführung der beabsichtigten Erst- bzw. Leistungsklage keine Prozesskostenhilfe gewährt werden. Deren hinreichender Erfolgsaussicht stehen insoweit prozessuale Bedenken entgegen, als die Klägerin gehalten ist, ihr Begehren im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO zu verfolgen. Eine Leistungsklage auf höheren Unterhalt ist angesichts dessen, dass sich die Klägerin erkennbar nicht auf eine ungenügende (Teil-)Titulierung durch die vorbezeichnete Jugendamtsurkunde beruft, sondern eine wesentliche Änderung der Verhältnisse geltend macht, unzulässig (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1992, 840 mit krit. Besprechung von Gottwald, FamRZ 1992, 1374, 1377).

In der Sache selbst sei angemerkt:

Die Antragstellerin steht den minderjährigen Kindern des Antragsgegners aus dessen zweiter Ehe nicht als sogenannte privilegierte Volljährige im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleich. Begünstigt sind lediglich Kinder in der allgemeinen Schulausbildung. Die Antragstellerin besucht die Schule für Erzieherinnen in … Ausweislich der vorgelegten Schulbesuchsbescheinigung handelt es sich um eine Berufsbildende Schule für Hauswirtschaft/Sozialpädagogik. Zu den allgemeinbildenden Schulen zählen indes Berufsschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen sowie der sogenannte Akademiebereich nicht. Bei dem Besuch einer Schule, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermittelt, handelt es sich nicht um eine allgemeine Schulausbildung im Sinne der genannten Vorschrift (vgl. FamRefK/Häußermann, § 1603 BGB Rdnrn. 8 ff m.w.N.). Angesichts des klaren Gesetzeswortlautes, der eine Privilegierung nur im Falle der allgemeinen Schulbildung vorsieht, kommt der Tatsache, dass die Antragstellerin keine Ausbildungsvergütung erhält, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu; eine Analogie contra legem verbietet sich. Wenn denn Kinder in der allgemeinen Schulausbildung begünstigt sind, so beruht dies auf dem dahingehenden Willen des Gesetzgebers, der zwischen dem Schulbesuch mit dem Ziel des Erwerbs eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule und dem Besuch einer Schule, die – auch neben allgemeinen Ausbildungsinhalten – bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermittelt, differenziert. Wegen dieser sachlichen Unterscheidung ist auch k...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?