Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelfall der unterhaltsrechtlichen Billigung eines Studienfachwechsels nach 10 durchlaufenen Semestern trotz Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Unterhaltspflichtiger, der einem minderjährigen Kind Unterhalt schuldet, noch keine abgeschlossene Berufsausbildung erlangt, so ist er trotz der gesteigerten Unterhaltspflicht nicht gehalten, ein begonnenes Studium abzubrechen. Dies gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige zuvor ein anderes Studium nach der Feststellung abgebrochen hat, dass die Ausbildungswahl auf einer Fehleinschätzung seiner Fähigkeiten beruhte.
2. Bei der zu treffenden Abwägung sind die schwierigen Ausgangsbedingungen des Unterhaltspflichtigen als Ausländer zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der künftige Unterhalt des minderjährigen Kindes durch die bessere Ausbildung eher gewährleistet ist als durch das Einkommen aus einer nicht qualifizierten Erwerbstätigkeit.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1-2, § 1610
Verfahrensgang
AG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 15.04.2010; Aktenzeichen 72 F 29/10) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Frankenthal (Pfalz) vom 15.4.2010 geändert und der Antrag der Antragstellerin abgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.700 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute und streiten um Kindesunterhalt für ihre am 7.7.2009 geborene Tochter A., die sich seit der Trennung bei der Antragstellerin aufhält. Diese hat eine Lehre in einer Bäckerei absolviert, ab 7.7.2010 ist sie arbeitslos gemeldet. Seitdem bezieht sie für ihre Tochter Leistungen nach dem UVG i.H.v. monatlich 113 EUR.
Der Antragsgegner ist Kameruner. Er hat im Jahr 2000 in Kamerun sein Abitur abgelegt und befindet sich seit März 2002 in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war er zunächst als Student der Universität H. im Fach Mathematik eingeschrieben, ohne allerdings Kurse zu belegen. Nach Sprachkursen studierte er ab Frühjahr 2005 an der Universität D. Mechatronik, und zwar bis zum Sommersemester 2009. Da er keine Leistungen nach dem Bafög erhält, finanziert er seinen Lebensunterhalt durch Aushilfstätigkeiten. Im Oktober 2008 haben die Parteien in Dänemark geheiratet, bereits seit Anfang Dezember 2009 leben sie getrennt voneinander. Zum Wintersemester 2009/2010 hat der Antragsgegner das Studienfach gewechselt. Er absolviert derzeit ein Wirtschaftsstudium in L.
Die Antragstellerin hat für ihre Tochter den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle gefordert. Sie hat geltend gemacht, dem Antragsgegner sei ein entsprechendes Einkommen fiktiv zuzurechnen. Er könne sich nicht darauf berufen, sein Studium fortzuführen. Vielmehr sei er im Hinblick auf das abgebrochene Studium in D. verpflichtet, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Hierdurch könne er mindestens 10 EUR pro Stunde brutto erzielen. Außerdem sei er im Hinblick auf die gesteigerte Unterhaltsverpflichtung ggü. der minderjährigen Tochter zur Aufnahme einer Nebentätigkeit verpflichtet.
Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, das Mechatronik-Studium in D. sei ein Orientierungsfehler gewesen. Er glaube, dass er die Prüfung nicht bestanden hätte. Anschließend hätte er bis zur erneuten Prüfung ein Jahr warten müssen, was schon insgesamt eine Verzögerung von zwei Jahren bedeute. Mit dem jetzt begonnenen Wirtschaftsstudium könne er international mehr anfangen. Es dauere insgesamt sechs Semester.
Das AG - Familiengericht - hat die Beteiligten angehört und sodann mit dem angefochtenen Beschluss der Unterhaltsklage i.H.v. monatlich 225 EUR für die Zeit ab April 2010 stattgegeben. Dazu wird auf die Entscheidung (Bl. 42-46 d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen macht der Antragsgegner im Wege der Beschwerde geltend:
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts sei er nicht verpflichtet, sein Studium abzubrechen. Er habe einen Anspruch auf Abschluss seiner Berufsausbildung. Zwischen den Parteien habe bezüglich des Studienwechsels Einigkeit bestanden. Die Fortführung des neuen Studiums sei auch sinnvoll, da es für ihn wesentlich bessere Perspektiven biete, zumal sich die Ausbildung allenfalls um ein Jahr verzögere. Nur durch einen qualifizierten Berufsabschluss werde der künftige Lebensunterhalt des Kindes hinreichend gesichert. Als ungelernter Arbeiter könne ihm allenfalls ein Gehalt i.H.v. 7,50 EUR pro Stunde zugerechnet werden.
Der Antragsgegner beantragt, den Beschluss des AG- Familiengericht - Frankenthal (Pfalz) vom 15.4.2010 dahingehend abzuändern, dass der Antrag, den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt zu verpflichten, zurückgewiesen wird.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und höchst fürsorglich den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das AG - Familiengericht - zurückzuverweis...