Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war der von einem noch in der Ausbildung befindlichen Elternteil zu leistende Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind. Der Unterhaltspflichtige hatte nach dem im Jahre 2000 von ihm im Kamerun abgelegten Abitur zunächst Mechatronik studiert und das Studienfach nach 10 Semestern gewechselt. Leistungen nach dem Bafög erhielt er nicht, er finanzierte seinen Lebensunterhalt von Beginn seines Studiums an durch Aushilfstätigkeiten. Zentrales Problem der Entscheidung war die Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Vaters.
Sachverhalt
Getrennt lebende Eheleute stritten um den Kindesunterhalt für ihre im Juli 2009 geborene Tochter, die sich seit der Trennung bei der Kindesmutter aufhielt, die arbeitslos gemeldet war. Sie bezog für ihre Tochter Leistungen nach dem UVG i.H.v. monatlich 113,00 EUR.
Der Antragsgegner war Kameruner, hatte dort im Jahre 2000 sein Abitur abgelegt und hielt sich seit März 2002 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Hier war er zunächst als Student im Fach Mathematik eingeschrieben, ohne allerdings Kurse zu belegen. Nach von ihm absolvierten Sprachkursen studierte er ab Frühjahr 2005 Mechatronik bis zum Sommersemester 2009. Leistungen nach dem Bafög erhielt er nicht und finanzierte seinen Lebensunterhalt durch Aushilfstätigkeiten. Im Oktober 2008 heirateten die Parteien in Dänemark. Seit Anfang Dezember 2009 lebten sie getrennt voneinander. Zum Wintersemester 2009/2010 hat der Antragsgegner das Studienfach gewechselt und absolvierte sodann ein Wirtschaftsstudium.
Die Antragstellerin hat für ihre Tochter den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle gefordert und geltend gemacht, dem Antragsgegner sei ein entsprechendes Einkommen fiktiv zuzurechnen. Er könne sich nicht darauf berufen, sein Studium fortzuführen. Vielmehr sei er im Hinblick auf das abgebrochene Studium verpflichtet, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Das erstinstanzliche Gericht hat der Unterhaltsklage i.H.v. 225,00 EUR monatlich für die Zeit ab April 2010 stattgegeben.
Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Das Rechtsmittel war erfolgreich.
Entscheidung
Anders als das erstinstanzliche Gericht kam das OLG zu dem Ergebnis, dass angesichts der hier zu beurteilenden besonderen Umstände Kindesunterhalt von dem Antragsgegner nicht geschuldet werde. Insbesondere sei er nicht verpflichtet, das zum Wintersemester 2009/2010 begonnene zweite Studium abzubrechen, um seiner Unterhaltsverpflichtung ggü. dem minderjährigen Kind nachkommen zu können.
Es treffe zwar zu, dass den Antragsgegner gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ggü. seiner minderjährigen Tochter eine gesteigerte Leistungspflicht treffe. Er habe alle verfügbaren Mittel heranzuziehen, um den angemessenen Unterhalt des minderjährigen Kindes sicherzustellen. Verfüge der Unterhaltsschuldner - wie hier der Antragsgegner als Student, der lediglich im Rahmen des ihm zu belassenden Selbstbehalts seinen eigenen Lebensunterhalt durch Aushilfstätigkeiten finanziere - nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel, sei ihm ein Einkommen fiktiv zuzurechnen, sofern er das Fehlen bzw. die Minderung seiner Leistungsfähigkeit zu vertreten habe. Ein dahingehendes unterhaltsrechtliches Fehlverhalten sei dem Antragsgegner jedoch nicht vorzuwerfen.
In Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Recht des unterhaltspflichtigen Elternteils auf Ausbildung betroffen sei, genieße das Recht eines Kindes auf Unterhalt keineswegs uneingeschränkten Vorrang, auch wenn dadurch der Unterhaltsanspruch eingeschränkt oder zeitweise ausgeschlossen werde. Das gelte insbesondere dann, wenn es darum gehe, erstmals eine abgeschlossene Berufsausbildung zu erlangen. Die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehöre zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den er grundsätzlich vorrangig befriedigen dürfe. Im Rahmen der hierzu im Einzelfall vorzunehmenden Abwägung aller Interessen sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Erwerb einer abgeschlossenen Berufsausbildung den Unterhaltspflichtigen in die Lage versetzen werde, den Kindesunterhalt dauerhaft und in betragsmäßig deutlich größerem Umfang zu sichern, als dies durch eine Erwerbstätigkeit als ungelernte Kraft möglich sei.
Eine fiktive Einkommenszurechnung aufseiten des Antragsgegners komme nicht schon deswegen in Betracht, weil er das begonnene Mechatronik-Studium nach 10 Semestern ohne Abschluss abgebrochen habe. Die Gründe hierfür habe er nachvollziehbar dargelegt. Eine einmalige persönliche Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten und Chancen sei keineswegs außergewöhnlich. Sie sei jedenfalls dann unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar, wenn - wie hier - die Start- und Ausgangsbedingungen als besonders schwierig einzustufen gewesen seien. Bei seiner Einreise nach Deutschland habe er keine Kenntnisse der deutschen Sprache gehabt. Fundierte Sprachkenntnisse seien aber wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der als Abiturient berechtigterweise eingesc...