Leitsatz (amtlich)
Eine vom VormG getroffene Eilmaßnahme nach § 1846 BGB (hier: Anordnung der Sondenernährung) wird durch die zeitlich nachfolgende Bestellung eines Betreuers für die Gesundheitsfürsorge des Betroffenen verfahrensmäßig überholt. Hebt das Beschwerdegericht die Anordnung deshalb auf, so besteht für eine dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers mit dem Ziel der Wiederherstellung der Eilmaßnahme kein Rechtsschutzbedürfnis.
Normenkette
BGB §§ 1846, 1904 Abs. 1, § 1908i Abs. 1 S. 1; FGG § 67
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Aktenzeichen 1 T 292/02) |
AG Kaiserslautern (Aktenzeichen XVII 601/02) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
II. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die 76-jährige Betroffene befindet sich nach wiederholten Hirninfarkten im Wachkoma (apallisches Syndrom). Sie wird über eine Magensonde ernährt. Ein akuter Sterbevorgang ist bei der Betroffenen nicht im Gange. Nachdem beim AG bekannt wurde, dass ein Sohn der Betroffenen (der Beteiligte zu 2) und ihr Hausarzt unter Berufung auf eine von der Betroffenen herrührende „Patientenverfügung” entschieden hatten, die Sondenernährung abzubrechen, ordnete der Vormundschaftsrichter am 28.11.2002 gem. § 1846 BGB an, „die Betroffene durch PEG-Magensonde weiterhin und auf Dauer ausreichend mit Nahrung zu versorgen”, weil, so die Begründung der Entscheidung, die Befolgung der Patientenverfügung gegen § 216 StGB verstoße und daher nicht nur rechtswidrig, sondern auch strafbar sei. Durch weiteren Beschluss vom 29.11.2002 hat das AG den Beteiligten zu 2) zum Betreuer der Betroffenen u.a. für den Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge bestellt.
Auf die von dem Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG vom 28.11.2002 eingelegte Beschwerde hat das LG mit Beschluss vom 20.1.2003 die angefochtene Entscheidung aufgehoben, weil auf Grund der zwischenzeitlich erfolgten Betreuerbestellung eine Eilmaßnahme nach § 1846 BGB nicht mehr in Betracht komme. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der vom LG als Verfahrenspflegerin für die Betroffene bestellten Beteiligten zu 1) mit dem Ziel der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Anordnung gem. § 1846 BGB.
II. 1. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft und wahrt die gesetzliche Form (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG). Da die Beteiligte zu 1) als Verfahrenspflegerin (§ 67 FGG) die Stellung einer gesetzlichen Vertreterin für die Betroffene hat, folgt ihre Beschwerdeberechtigung aus derjenigen der Betroffenen, also aus § 20 Abs. 1 FGG (Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FG, 14. Aufl., § 67 Rz. 11 und § 69g Rz. 8b; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rz. 8).
2. Die weitere Beschwerde ist aber deshalb unzulässig, weil es für die damit erstrebte Wiederherstellung der vormundschaftsgerichtlichen Eilmaßnahme i.S.v. §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1846 BGB an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn diese Maßnahme ist verfahrensmäßig überholt (Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FG, 14. Aufl., § 19 Rz. 85 und 93; § 27 Rz. 63; BayObLG v. 7.11.1989 – BReg. 1a Z 57/89, FamRZ 1990, 551).
Wie das LG in der Sache zutreffend ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen für ein Einschreiten des VormG nach § 1846 BGB nur vor, wenn für den Betroffenen ein Betreuer noch nicht bestellt oder an der Erfüllung seiner Pflichten gehindert ist. Das ist hier infolge der zwischenzeitlichen Bestellung des Beteiligten zu 2) als Betreuer für die Gesundheitsfürsorge der Betroffenen nicht der Fall. Deshalb ist die vom VormG getroffene Anordnung der Sondenernährung der Betroffenen jedenfalls derzeit nicht mehr zulässig (vgl. BayObLG v. 15.3.1990 – BReg. 3Z 213/90, BayObLGZ 1990, 46 [49 f.]; BayObLGZ 1999, 269 [273]; OLG Schleswig v. 16.5.2001 – 2 W 96/01, MDR 2001, 1061).
Folge davon ist, dass die Beteiligte zu 1) an der von ihr begehrten Entscheidung kein rechtlich schutzwürdiges Interesse hat.
Dabei ist unerheblich, ob die Absicht des Beteiligten zu 2), die lebenserhaltende Sondenernährung der Betroffenen zu beenden, rechtlich vertretbar oder im Gegenteil rechtswidrig ist. Denn nach § 1846 BGB kann das VormG „die im Interesse des Betroffenen erforderlichen Maßregeln” nur treffen, wenn der bestellte Betreuer – wie vorliegend nicht – an einer Entscheidung gehindert ist, nicht aber auch dann, wenn er etwa pflichtwidrig eine dem Wohl des Betroffenen widersprechende Entscheidung trifft. In einem solchen Fall hat das VormG vielmehr nur die Möglichkeit, mit Aufsichtsmaßnahmen gegen den Betreuer nach §§1908i Abs. 1, 1837 BGB zu reagieren, dem Betreuer die Vertretungsmacht für einzelne Angelegenheiten zu entziehen (§§ 1908i Abs. 1, 1796 BGB) oder ihn ggf. nach § 1908b Abs. 1 BGB zu entlassen, einen anderen Betreuer zu bestellen und für die Zeit bis zur möglichen Entscheidung des neuen Betreuers erneut nach § 1846 BGB zu verfahren (vgl. Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1846 BGB Rz. 5; Staudinger/Engler, BGB, 13. Bearb., § 1846 Rz. 1; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl....