Leitsatz (amtlich)
Zur Verwirkung der Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung des im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts durch den Kostenbeamten wegen Zeitablaufs.
Jedenfalls auf die von dem Rechtsanwalt eingelegte Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung ist die Frist des § 7 S. 1 GKG a.F. (= § 20 GKG n.F.) nicht analog anwendbar (in Übernahme der Rechtsprechung des KG v. 8.12.2003 - 19 WF 261/03, KGReport Berlin 2004, 374 = FamRZ 2004, 1805, gegen die wohl bislang h.M.).
Normenkette
BRAGO § 128 Abs. 3, 4 a.F.; RVG § 60 Abs. 1, § 61 Abs. 1; GKG § 7 S. 1 a.F.
Verfahrensgang
AG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 07.02.2006; Aktenzeichen 7b F 15/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des AG - FamG - Frankenthal (Pfalz) vom 29.9.2003 insoweit aufgehoben, als die geltend gemachte Vergleichsgebühr für den Unterhaltsverzicht nebst Umsatzsteuer abgesetzt worden ist.
Der/die zuständige Kostenfestsetzungsbeamte/in wird angewiesen, gem. der Rechtsauffassung des Senats insoweit neu zu entscheiden.
II. Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde gegen den die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss zurückweisenden Beschluss des Referatsrichters vom 7.2.2006 ist nach § 128 Abs. 4 BRAGO a.F. statthaft und begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken. Insbesondere der erforderliche Beschwerdewert von mehr als 50 EUR ist erreicht (§ 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO a.F.).
Statthaftigkeit und Zulässigkeit der befristeten Beschwerde gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss richten sich gem. der Überleitungsvorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nach § 128 BRAGO in der bis Juni 2004 geltenden Fassung. Dies deshalb, weil der unbedingte Auftrag des Antragsgegners zur Vertretung im Scheidungsverfahren vor dem 1.7.2004 erteilt und sein - früherer - Prozessbevollmächtigter auch schon vor der zu diesem Zeitpunkt eintretenden Gesetzesänderung bereits tätig geworden ist. Daran ändert auch die weitere Überleitungsvorschrift des § 61 Abs. 1 S. 2 RVG nichts. Soweit darin das RVG für seit dem 1.7.2004 anhängig gemachte Rechtsmittelverfahren für gültig erklärt wird, bezieht sich dies nur auf Rechtsmittel in der vom Auftrag erfassten Hauptsache und die dafür geschuldeten Gebühren, nicht aber auf Rechtsmittel des Rechtsanwalts selbst im Rahmen seines sich nach der BRAGO richtenden Vergütungsanspruchs. Für die Zulässigkeit der Beschwerde kommt es deshalb vorliegend auf den - erreichten - Beschwerdewert des § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO von über 50 EUR und nicht auf den - nicht erreichten - Beschwerdewert nach § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 1 RVG von über 200 EUR an (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.6.2005 - 5 WF 83/05, AGS 2006, 81).
In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg.
Die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 30.8.2005, eingegangen am 31.8.2005, gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 29.9.2003, zugegangen (wohl) im Oktober 2003, ist nicht verwirkt.
Jedenfalls auf die von dem Rechtsanwalt eingelegte Erinnerung nach § 128 Abs. 4 BRAGO ist die Frist des § 7 S. 1 GKG nicht analog anwendbar. Dem Rechtsmittel bzw. dem Vergütungsanspruch kann auch nicht allein wegen Zeitablaufs der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten werden. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugend begründeten Rechtsprechung des KG gem. Beschl. v. 8.12.2003 (KG v. 8.12.2003 - 19 WF 261/03, KGReport Berlin 2004, 374 = FamRZ 2004, 1805) an und nimmt hierauf Bezug.
Bei einer relativ kurzen Verjährungsfrist von zwei Jahren nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a.F. kommt Verwirkung ohnehin grundsätzlich nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Selbst die neue Regelverjährungsfrist von drei Jahren muss dem Gläubiger grundsätzlich ungekürzt zur Verfügung stehen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 242 Rz. 90, Rz. 97). Hiervon abgesehen muss als weitere Voraussetzung der Verwirkung sich der Verpflichtete - vorliegend die Landeskasse - aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen. Dieses sog. Umstandsmoment ist in der Regel nur erfüllt, wenn der Schuldner sich im Hinblick auf die Nichtgeltendmachung des Rechts darauf eingerichtet hat und z.B. anderweitige Vermögensdispositionen getroffen hat (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 242 Rz. 95, m.w.N.). Hierfür fehlen vorliegend jegliche Anhaltspunkte.
Dem/der Kostenfestsetzungsbeamten/in bleibt es überlassen, unter Beachtung dieser Rechtsauffassung des Senats über die Höhe der festzusetzenden Vergütung neu zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 5 BRAGO a.F.
Fundstellen
Haufe-Index 1517453 |
FamRZ 2006, 1473 |
NJW-RR 2006, 1439 |
Rpfleger 2006, 572 |
RVGreport 2006, 423 |
OLGR-West 2006, 701 |
www.judicialis.de 2006 |